Führende Alzheimer-Studien sollen gefälscht sein.
Waren 20 Jahre Alzheimer-Forschung sinnlos, weil man manipulierten wissenschaftlichen Arbeiten folgte?
Es ist ein Forschungsskandal, der seinesgleichen sucht und für Millionen an Demenz-Erkrankten weltweit ein regelrechter Schlag ins Gesicht ist: Das renommierte wissenschaftliche Fachmagazin SCIENCE hat nach monatelanger Recherche am 21. Juli 2022 einen aufsehenerregenden Artikel veröffentlicht, der die Welt der Wissenschaft erschüttert und einen ganzen Forschungszweig in den Abgrund reißen könnte.
Denn just die wichtigste Studie, auf deren Hypothesen zur Entstehung der Alzheimer-Demenz die gesamte pharmakologische Wissenschaft aufbaute, ist vermutlich massiv gefälscht und Milliarden-Gelder wurden fruchtlos versenkt. Das treue Warten auf das „eine Medikament“, von der Arzneimittelindustrie und deren kommunizierenden Institutionen immer wieder eingefordert, wird also weit länger dauern als man der Öffentlichkeit glaubhaft machen wollte.
Vergangene Woche in Mitteldeutschland: Ein älteres Ehepaar betritt die Praxis einer Ärztin, die mit der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) arbeitet. Den Termin zur Erstbesprechung haben sie erst nach Monaten des Abwägens ihrer Sorgen und Zweifel ausgemacht: „Wir haben schon das erste Mal 2021 von der TPS gehört und uns versucht, kundig zu machen,“ berichtet der Ehemann der Patientin im Gespräch. „Aber unser Neurologe hatte noch nichts von dieser Behandlungsmethode gehört und bei den Beratungsstellen hat man uns abgeraten, weil das sicherlich Humbug sei und Medikamente das einzig Wahre wären. Aber uns hat es jetzt gereicht: Seit Jahren spenden wir für die Demenz-Forschung und es geschieht nichts. Währenddessen geht es meiner Frau trotz Medikamenten immer schlechter. Worauf sollen wir also noch warten? Auf ein Wunder?“ So wie dem zitierten Ehepaar geht es vielen Betroffenen und deren Angehörigen. Neue Behandlungsoptionen werden umso mehr verunglimpft, je erfolgreicher sie funktionieren. Ein leider ganz normaler Vorgang, wenn es um angestammte Pfründe handelt, bei denen es um Milliarden Dollar und Euro geht. Aber dies wissen die Betroffenen meist nicht und sehen in den Verlautbarungen der Arzneimittelindustrie und deren Multiplikatoren den heiligen Gral der Wahrheit. Doch nun stehen jene postulierten Wahrheiten – jedenfalls auf dem Feld der Alzheimer-Forschung – auf tönernen Füßen.
Die Amyloid-Hypothese: Ein nicht existentes Molekül als Auslöser der Alzheimer-Krankheit?
Es war der französische Neurowissenschaftler Sylvain Lesné, Forscher an der University of Minnesota, USA, der im Jahre 2006 eine damals als bahnbrechend bezeichnete Arbeit im führenden Fachmagazin NATURE veröffentlichte, in der er das Molekül „Abeba*56“, eine Form des Beta-Amyloid (Protein-Ablagerungen, die Nervenzellen im Gehirn zerstören), als Auslöser für die Entstehung der Alzheimer-Demenz identifizierte. Schon damals wurden kritische Stimmen laut, etwa von einem ehemaligen Mitarbeiter des Wissenschaftlers, der dem Wahrheitsgehalt von Lesné’s Arbeit nicht traute, da dessen Experimente von seinen Studenten nicht wiederholbar gewesen waren. Doch solche Stimmen verhallten ungehört, zu verlockend war die Vorstellung, der tückischen und immer zahlreicher auftretenden Alzheimer-Krankheit endlich auf direktem Wege auf die Spur gekommen zu sein.
Kernaussage der Arbeit von Lesné war, dass bestimmte Protein-Schnipsel im Gehirn verklumpen und sich an Nervenzellen anhaften würden. Diese Verklumpungen werden Amyloid-Plaques genannt. In der Folge würden sich reißfeste Faserbündel in den Zellen bilden, die giftig seien, jedoch vom Gehirn nicht abgebaut werden könnten. Im Laufe der Zeit würde sich eben daraus die Alzheimer-Krankheit entwickeln. Diese Hypothese nahmen daraufhin Forschende weltweit zum Anlass, am Ausgangsmaterial der Amyloid-Plaques, also den Protein-Schnipseln, zu forschen. Die Amyloid-Hypothese war geboren und wurde zum Dogma der Forschungsgemeinde.
Zwei Jahrzehnte hat man nun auf Amyloid-Antikörper fokussiert, die klinische Medikamentenentwicklung erprobte einen Antikörper nach dem anderen. Die Resultate sind bekannt: 99,6% aller Studien wurden wegen Wirkungslosigkeit oder zu starken Nebenwirkungen vorzeitig abgebrochen, das 2021 zumal durch seine höchst umstrittene Zulassung auf den US-Markt gekommene Präparat Aducanumab (Handelsname: Aduhelm) mit dem stolzen Preis von € 56.000,– je Patient pro Jahr wurde in Europa gar nicht erst freigegeben und ist mittlerweile auch in den USA, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, wieder vom Markt genommen worden. Erst vor einigen Wochen kam dann auch das „Aus“ für den Antikörper Crenezumab – siehe hierzu auch: https://www.alzheimer-deutschland.de/aktuelles/beitraege/alzheimer-crenezumab-enttaeuscht-langzeitstudie
Wissenschaftsbetrug mit höchst plumper Methode: Doch bisher schaute einfach keiner hin.
Aber was ist nun eigentlich geschehen? Es geht um Fotos, genauer gesagt um ein einziges Bild jenes vermeintlichen Amyloid-Proteins, das Wissenschaftler Sylvain Lesné munter immer wieder in seine berühmte Arbeit – und später auch in viele andere, wohl 70 an der Zahl – einkopiert und in immer andere Zusammenhänge und vermeintliche Forschungsergebnisse gesetzt hatte, mit „copy and paste“-Funktion sozusagen. Erst im August 2021 wurde ein junger Neurowissenschaftler namens Matthew Schrag von der Vanderbilt University, Tennessee, USA, stutzig und machte sich gemeinsam mit Gutachtern daran, die Arbeiten von Lesné einmal genauer zu überprüfen. Das Resultat: Mindestens 10 Arbeiten des französischen, hochgeehrten Wissenschaftlers müssen nun genau untersucht werden, da auch Datenfälschung im Raum steht. Zudem werden in Schrag’s Bericht jetzt auch andere renommierte Forscher zitiert, die die Studienergebnisse von Lesné nicht hatten wiederholen können. Mittlerweile ist übrigens nicht einmal mehr sicher, ob dieses Molekül überhaupt existiert! Warum sie bisher geschwiegen haben? Dafür mag es zahlreiche Gründe geben, viele Szenarien könnte man sich ausmalen und die meisten davon wären sicher nicht das, was sich Betroffene und Angehörige gerne vorstellen würden – aber machen wir uns nichts vor: Millionen an Forschungsgeldern, Milliarden an Regierungs- und Investoren-Geldern, natürlich auch Ruhm und Ehre bzw. Angst vor Kritik und die eigene berufliche Karriere in einem streng hierarchischen System werden gewichtige Rollen gespielt haben.
Gegen Lesné und andere Forscher wird nun ermittelt, die Fachwelt ist entsetzt. „Der unmittelbare, offensichtliche Schaden ist die Verschwendung öffentlicher Gelder und die Verschwendung von Denkanstößen auf diesem Gebiet, weil andere Wissenschaftler diese Ergebnisse als Ausgangspunkt für ihre eigenen Experimente verwendet haben,“ wird der Biochemiker und Nobelpreisträger Thomas Südhof von der Stanford University in SCIENCE zitiert.
Quo vadis, Alzheimer-Forschung? Und was ist mit den Patient:innen?
Jetzt kommen, logischerweise, bisher nicht zitierte Stimmen aus der Fachwelt zu Wort: Man nimmt zwar an, dass die Amyloid-Verklumpungen und die Faserbündel in den Nervenzellen eine wichtige Rolle bei der Alzheimer-Erkrankung spielen; aber sie sind eben, wenn überhaupt, nur ein Teilaspekt. Vielmehr glauben andere Wissenschaftler, dass eine Vielzahl von Risikofaktoren eine ebenso wichtige Rolle spielen (siehe hierzu auch: https://www.alzheimer-deutschland.de/ueber-alzheimer-demenz/demenz-erkennen-vorbeugen) und Alzheimer bzw. alle Demenz-Erkrankungen viel komplexer sind als bisher bekannt. Sie hoffen, dass nun endlich auch andere Ideen mehr Aufmerksamkeit und Forschungsgelder erhalten werden, die bisher unbeachtet gelassen wurden. Und leider halten es die befragten Wissenschaftler auch für wenig realistisch, dass es im Laufe der kommenden Jahre eine wirksame medikamentöse Therapie gegen das Auftreten der Symptome geben wird.
Es steht also zu hoffen, dass nun neuen Therapie-Optionen wie der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) von verschiedenen Seiten – und zwar im Sinne der Betroffenen und nicht im Sinne eines wie auch immer gearteten Nimbus – etwas mehr Offenheit und echtes Interesse entgegengebracht werden wird. Denn anders als in der Arzneimittelforschung zeigen sich mit der TPS in der täglichen Praxis realistisch jene Wirkmechanismen, die in der Stoßwellen-Forschung bisher korrekterweise nur postuliert, jedoch in zahlreichen, rasch fortschreitenden Studien immer mehr untermauert werden.
Zurück in der Praxis in Mitteldeutschland: „Es sind auch unsere Geldspenden und unser Hoffnungen, die da jahrelang verpulvert wurden,“ sagt der Ehemann der Patientin. „Gut, dass wir uns endlich emanzipiert haben und nun hier sind.“ Man hört das sanfte Ticken der niedrigenergetischen Stoßwellen-Pulse, die seiner Frau während der TPS-Behandlung über einen Handapplikator in den Kopf eingeleitet werden. Sie sitzt entspannt auf dem Behandlungsstuhl und lächelt zufrieden.
Hier geht es zum Original-Artikel in SCIENCE: