Prof. Dr. med. Lars Wojtecki berichtet auf internationalem Fachkongress über die klinische TPS-Forschung mit zusätzlichen longitudinalen EEG-Aufzeichnungen.
Auf dem »32. Internationalen Kongress für klinische Neurophysiologie (ICCN 2022)« in Genf, Schweiz, präsentierte Neurologe Prof. Dr. med. Lars Wojtecki vergangene Woche neue klinische Ergebnisse zur Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) bei Alzheimer-Demenz-Patient:innen.
Ein Team rund um Prof. Lars Wojtecki, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurorehabilitation am Hospital zum Heiligen Geist Kempen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU), hatte in einer Pilot-Studie die Wirkung der ultrakurzen Stoßwellen-Pulse der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) bei Alzheimer-Patient:innen verschiedenen Erkrankungsgrades untersucht und dabei mit EEG-Aufzeichnungen engmaschig dokumentiert. In Zusammenarbeit mit Forschenden des Max-Plank-Instituts, Frankfurt/Main, der Universität Marburg und der Universität Gießen bestätigen die Daten wiederum jene Ergebnisse der Medizinischen Universität Wien, Universitätsklinik für Neurologie, sowohl in Bezug auf das Ausmaß der kognitiven Verbesserungen als auch bezüglich der geringen Nebenwirkungen.
Patient:innen-Auswahl und Methodik: Heterogene Gruppe hatte MMST-Werte zwischen 2 und 27 vor Start mit TPS
Um den Einfluss der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) auf die Gehirnfunktionen an Alzheimer-Demenz erkrankter Personen zunächst objektiv und breiter gefächert zu beobachten, wurde die Proband:innen-Gruppe nicht homogen, sondern bewusst uneinheitlich, also heterogen, ausgewählt. So waren bei den 10 Patient:innen Betroffene mit einem MMST-Wert (MMST steht für Mini-Mental-Status-Test, ein Testverfahren zur Erfassung kognitiver Störungen) von minimal 2 bis maximal 27 vertreten; der Wert „2“ steht hier für eine sehr schwere Demenz, der Wert „27“ zeigt eine leichte bzw. möglicherweise gerade erst beginnende Demenz.
Die Teilnehmer:innen erhielten vier bis 12 TPS-Sitzungen, wobei sechs Behandlungen innerhalb von zwei Wochen und danach alle vier Wochen Auffrischungsbehandlungen mit je einer Sitzung durchgeführt wurden. Neben Verwendung verschiedener Messverfahren (z. B. ADAS, MMST, MoCa, BDI) zur Beurteilung der kognitiven und affektiven (Verhalten, das überwiegend von kurzen, impulsartigen Gefühlsregungen bestimmt wird) Verfassung, setzten die Forschenden zusätzlich longitudinale (auf die Längsachse des Kopfes bezogene) EEG-Aufzeichnungen ein. Dies sind Untersuchungen mittels der Elektroenzephalographie (EEG), mit der die elektrische Aktivität des Gehirns durch Aufzeichnung der Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche summiert und grafisch dargestellt werden kann. Die EEG-Aufzeichnungen wurden vor und nach der ersten Sitzung und in der Folge nach dem gesamten Zyklus von sechs Behandlungseinheiten durchgeführt. Mittlerweile liegen entsprechende Daten eines Zeitraums von bis zu 11 Monaten vor.
Ergebnis: Unterschiedliche Verbesserungen bei allen Proband:innen, beständige Veränderungen der Entropie im EEG
Alle Patient:innen zeigten Verbesserungen in mindestens einem der neuropsychologischen Tests und die Pflegekräfte bestätigten bei den meisten Teilnehmer:innen eine Steigerung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens. Eine signifikante mittlere Veränderung wurde vor allem beim ADAS-Summenscore mit 18% festgestellt. „ADAS“ steht für „Alzheimer’s Disease Assessment Scale“ , einer Bewertungsskala zur Schweregradeinschätzung und Verlaufskontrolle bei Alzheimer-Demenz und anderen Demenzerkrankungen. Zwar zeigten einige Patient:innen nur geringfügige Verbesserungen, da die Gruppe eben heterogen bis hin zu schwergradiger Alzheimer-Demenz ausgewählt worden war, aber die eklatanteste Verbesserung lag bei 40%. Zudem wurde bei einigen Patient:innen eine deutliche Stimmungsaufhellung festgestellt. Die EEG- Aufzeichnungen schließlich zeigten bei allen Teilnehmer:innen jeweils nach der ersten Sitzung einen Anstieg der Gehirnleistung in allen Frequenzbändern. Darüber hinaus zeigten sich in der Folge konsistentere (dauerhaftere bzw. beständigere) Veränderungen der EEG-Entropie, also dem Verlauf von einer Unordnung hin zu einer klareren Anordnung der Gehirnwellen nach den TPS-Behandlungen.
Schlussfolgerung und Aussicht
Prof. Wojtecki, dessen wissenschaftlichen Arbeits- und Forschungschwerpunkte übrigens kognitive und emotionale Funktionen neuronaler Netzwerke und deren Modulierbarkeit durch Hirnstimulation sind, fordert nach dieser Stichprobe mehr Daten und Untergruppen zur Analyse. Prospektive kontrollierte Studien – bei prospektiven klinischen Studien werden Daten ab Zeitpunkt des Studienbeginns gesammelt und ausgewertet, nicht schon vorher – wären nach Meinung der Forschenden der nächste Schritt zum weiteren Nachweis der Wirksamkeit der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS). Darüber hinaus sehen sie die EEG-Entropie als vielversprechendes Biomarker-Instrumentarium bzgl. des Ansprechens der Patient:innen auf die TPS-Therapie.
Quelle:
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fneur.2022.948204/full
Prof. Wojtecki ist Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurorehabilitation am Hospital zum Heiligen Geist in Kempen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) sowie Arbeitsgruppenleiter (AG interPHYS: Interventionelle Neurophysiologie und Neuropsychologie / Kognitive Neurologie) am Institut für Klinische Neurowissenschaften und Medizinische Psychologie der Universitätsklinik Düsseldorf.
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