In unseren Anwendungsbeobachtungen sehen wir das große Potential der TPS bestätigt.

Im Rahmen einer Fachveranstaltung zur Transkraniellen Pulsstimulation in Mondsee im österreichischen Salzkammergut hatten wir am Freitag, den 14. Oktober 2022 Gelegenheit, einen wissenschaftlichen Experten zur Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) zum Interview zu treffen: Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychologischer Psychotherapeut. Prof. Sprick ist Chefarzt der Ambulanzen und Tageskliniken des Alexius/Josef Krankenhauses Neuss, Zentrum für seelische Gesundheit, und Professor an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Prof. Sprick war gerade von einer Vortragsreise zur Transkraniellen Pulsstimulation aus Südamerika zurückgekehrt, denn auch dort verbreitet sich die TPS rasant. Im idyllischen Schloßhotel Mondsee sprachen wir über seine Forschungsarbeit, den Stand der Wissenschaft und weshalb die Transkranielle Pulsstimulation künftig einen festen Platz in der Behandlung von Demenz-Erkrankungen und anderen neurodegenerativen Krankheiten haben wird – Long-Covid bzw. Neuro-Covid eingeschlossen.

Alzheimer Deutschland (AD): „Herr Professor Sprick, Sie kehren gerade aus Sao Paulo in Brasilien zurück, wo Sie Ihre Forschungsarbeiten und Erfahrungen mit der Transkraniellen Pulsstimulation mit den dortigen Kollegen geteilt haben, die zwischenzeitlich auch in verschiedenen Ländern Südamerikas mit der TPS arbeiten. Sie haben, auch im wissenschaftlichen Bereich, sehr viel Erfahrung gesammelt und wir wissen, dass Sie der TPS sehr positiv gegenüberstehen. Aber wie kamen Sie ursprünglich auf die TPS?“
Prof. Sprick (US): „Ich habe die TPS vor ca. drei Jahren zunächst auf der MEDICA (Anm. d. Red.: eine der größten Fachmessen der Welt) kennengelernt. Da ich mich im Rahmen meiner Forschungsarbeit schon seit rund 40 Jahren mit Hirnstimulations-Möglichkeiten beschäftige, fand ich den Ansatz der TPS sehr interessant und habe das Potential gesehen, das in dieser Therapieentwicklung liegt. Zwar ist die Studienlage derzeit noch vergleichsweise gering, aber das ändert sich in naher Zukunft und dann sehe ich keine Probleme mehr bezüglich der Akzeptanz dieser Methode.“

„Die Therapie funktioniert bei einer Großzahl unserer Patienten in einem Maße, das wir nicht erwartet hätten.“
Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick

AD: „Sie begannen dann vor gut einem Jahr, klinisch mit der TPS zu arbeiten.“
US: „Das ist richtig. Wir wollten zunächst sehen, ‚funktioniert die Methode oder funktioniert sie nicht?‘ Wir sahen bald, die Therapie funktioniert bei einer Großzahl unserer Patienten mit Alzheimer-Demenz, und zwar in einem Maße, das wir nicht erwartet hatten. Ich muss hierzu sagen, dass ich den Erfolg  nicht in Bezug auf das Aufhalten der Erkrankung bemesse, sondern dass ich damit die durch die TPS entstehenden tatsächlichen Verbesserungen des Erkrankungszustandes der Patienten meine. Ich hoffte zunächst nur, ein „steady state“ zu erreichen, also ein Aufhalten der Krankheit. Dass die TPS aber tatsächlich eine Verbesserung des Krankheitszustandes erreichen würde, bezifferte ich anfänglich mit vielleicht gerade mal fünf Prozent. Man geht schließlich heute noch offiziell davon aus, dass Alzheimer eine progressive und irreversible Erkrankung ist, das heißt, sie schreitet immer weiter fort und kann nicht durch medizinische Intervention umgekehrt werden. Heute sehen wir mit der TPS allerdings eine hervorragende Erfolgsquote von etwa 60 bis 65 Prozent, das heißt, dass bei nahezu zwei Dritteln unserer Patienten teils in einem oder gleich in mehreren Bereichen bemerkenswerte Verbesserungen erreicht werden. Das ist eine sehr große Zahl und ein großartiges Ergebnis, mit dem wir nicht gerechnet hätten.“
AD: „Woran können Sie diese Verbesserungen festmachen, welche Methoden wenden Sie an, um die Wirksamkeit der Transkraniellen Pulsstimulation nachzuweisen?“
US: „Wir nutzen verschiedene Test-psychologische Untersuchungen. Morbus Alzheimer ist ein Störungsbild, das in sehr vielen verschiedenen Facetten schillert. Die Defizite bei den Menschen sind nicht überall gleich, und deshalb ist es auch sehr schwierig, den einen Alzheimer-Patienten mit dem anderen zu vergleichen. Es gibt Patienten, die ‚nur‘ einen Alzheimer haben, aber es gibt andere, die zusätzlich noch eine vaskuläre oder andere Formen der Demenz haben und deshalb muss man eine größere Zahl an Patientinnen und Patienten haben, um Effekte auch statistisch und signifikant nachweisen zu können. Es dauerte also eine Weile, bis wir genug relevante case-reports, also Falldokumentationen sammeln konnten, um eine Anwendungsbeobachtung mit umfangreichen fachlichen Tests fertigstellen konnten. Diese Anwendungsbeobachtung wird nun Anfang November 2022 veröffentlicht werden.“
AD: „Und diese klinischen Anwendungsbeobachtungen zeigen einmal mehr, dass die TPS den Demenz-Patienten helfen kann?“
US: „Selbstverständlich. Aber mehr möchte ich vor der Publikation dazu nicht öffentlich sagen.“
AD: „Der Kern-Wirkmechanismus der Transkraniellen Pulsstimulation wird fachlich ‚Mechanotransduktion‘ genannt. Was versteht man darunter?“
US: „Die Mechanotransduktion ist eine ganz besondere Art der biologischen Stimulation des Gehirns. Sie ist aus vielen Gründen interessant, denn hier werden verschiedene Wirkmechanismen diskutiert, in denen ich  ganz viel Potential sehe. Mechanotransduktion bedeutet im Falle der TPS, dass die Stoßwellen-Pulse zahlreiche biologische Effekte im Gehirn auslösen. Es werden neurotrophe Wachstumsfaktoren aktiviert, die Konzentration der Neurotransmitter wie etwa Serotonin oder Dopamin erhöht sich, es werden neue Blutgefäße gebildet, das nennt man Neoangiogenese, die zu einer verbesserten Durchblutung des Gehirns führen und vieles, vieles andere mehr. Vereinfacht gesagt, definiert Mechanotransduktion den Vorgang, dass mechanische Reize, also hier die Stoßwellen, zu zellulären Reaktionen führen, die regenerative und aktivierende Prozesse auslösen können. Tatsache ist, dass es der Druck der Stoßwelle ist, der diese Reize auslöst, nicht etwa elektrische oder magnetische Einflüsse. Wir wissen also, dass die Mechanotransduktion stattfindet und funktioniert, aber natürlich muss hier noch viel geforscht werden.“
AD: „Stichwort Medikamente und Transkranielle Pulsstimulation. Welchen Stellenwert geben Sie hier der TPS?“

„Um eine optimale Wirkung zu erzielen, sollte man die Transkranielle Pulsstimulation mit einer medikamentösen Therapie verbinden.“
Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick

US: „Ich sehe es anhand der verschiedenen Wirkmechanismen als sehr sinnvoll an, eine sogenannte ‚state-of-the-art‘-Behandlung, also eine Therapie nach neuesten Erkenntnissen, in kombinierter Form durchzuführen: Medikamente plus TPS ist meine Empfehlung. Denn es kommt insbesondere auf die Interaktion zwischen beiden Komponenten an, um eine optimale Wirkung zu erzielen. Das hängt eben mit den unterschiedlichen Wirkweisen zusammen. Ich glaube, dass die TPS auch allein Wirkungen hat, aber den optimalen Behandlungserfolg erreichen wir derzeit am besten mit beiden Methoden.“
AD: „Medikamente sollten also bei einer TPS-Therapie nicht abgesetzt werden?“
US: „Nein, Medikationen sollten beibehalten werden, sonst verlieren wir hier eine wichtige Säule, über die auch die TPS entsprechend wirkt. Denken Sie beispielsweise an die Blut-Hirn-Schranke. Diese wird durch die TPS geöffnet oder auch ganz aufgehoben für einen gewissen Zeitraum. Dies ist wissenschaftlich belegt. Und in dieser Zeit der Öffnung oder gänzlichen Aufhebung dieser Schranke können wiederum medikamentöse Wirkstoffe in das Gehirn gelangen und dort an den richtigen Stellen ihre Wirkung optimal entfalten. Das war bisher immer das Problem, dass medikamentöse Wirkstoffe nicht wirklich dorthin gelangen konnten, wo sie benötigt werden. Mit der TPS haben wir endlich einen Türöffner gefunden.“
AD: „Das ist ein wichtiger und interessanter Aspekt, der die Wirksamkeit der TPS deutlicher erklärt. Doch zurück zu den Patienten: Erzählen Sie uns doch ein wenig aus der Praxis. Gibt es Fälle, die für Sie von besonderer Bedeutung  sind in Bezug auf die TPS?“
US: „Da fällt mir gleich meine allererste Patientin ein. Diese hatte vor der TPS-Behandlung bei den Tests, die wir verwenden, sehr lange Latenzen (Anm. d. Red.: als Latenz bezeichnet man bei diesen Tests den Zeitraum zwischen einer Frage und der Antwort des Patienten). Nach sechs Sitzungen mit der TPS waren ihre Latenzen auf die Hälfte reduziert! Ich war davon ausgegangen, dass wir höchstens Effekte von zwei, vielleicht fünf Prozent erhalten würden. Stattdessen waren es 50 Prozent! Und diese Patientin hat dann auch noch weitere Fortschritte mit der TPS gemacht: Sechs Wochen später untersuchten wir sie wieder, und da hatte sie sich nochmals um weitere 20 Prozent verbessert. Und selbst wenn man mit einbezieht, dass es gewisse Lerneffekte gibt, wenn man solche Tests wiederholt, dann ist das bei einem Morbus Alzheimer, salopp gesagt, einfach super.“
AD: „Welche Chancen geben Sie der Transkraniellen Pulsstimulation für die Zukunft?“
US: „Mit zunehmenden Patienten-Zahlen und zunehmenden positiven Forschungsergebnissen, gehe ich davon aus, dass sich die Anwendung der TPS in den nächsten Jahren intensiv steigern wird. Dies sehe ich vor allem auch unter dem Aspekt der guten Wirkung und den äußerst geringen Nebenwirkungen wie etwa ganz vereinzelt leichte Kopfschmerzen, die aber nach kurzer Zeit wieder verschwinden. Es gibt zwar auch medikamentöse Antikörper, die sich derzeit in Studien befinden und die recht gute Ergebnisse erzielen können, aber dort ist die Nebenwirkungslast eben sehr hoch.“
AD: „Herr Prof. Sprick, wir danken herzlich für dieses Gespräch.“

Über Professor Ulrich Sprick

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Ulrich Sprick
„Foto: © St. Augustinus Gruppe“

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Ulrich Sprick hat eine umfangreiche Expertise auf den Gebieten Psychiatrie und Psychotherapie sowie Klinische Psychologie. Als Chefarzt der Ambulanten Dienste und der Tageskliniken des Alexius/Josef Krankenhauses in Neuss stellt er zusammen mit seinen Teams die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Rhein-Kreis Neuss für den ambulanten und teilstationären Bereich sicher.

Als Mitglied der medizinischen Fakultät an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ist Prof. Sprick auch in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Lehre engagiert.

Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Hirnforschung (u. a. Forschungsgruppenleiter „Neuroplastizität“ am C. & O. Institut für Hirnforschung an der Heinrich-Heine-Universität) und hier in den Spezialgebieten Neuroplastizität, Hirnstimulation, trophische Faktoren, endogene Opiate u. a.