Neue Studien weisen auf deutliche Zusammenhänge hin

Die Ursachen von Alzheimer-Demenz sind noch immer ein großes Mysterium in der Medizin. In den letzten Jahren mehren sich jedoch Hinweise darauf, dass chronische Entzündungen vor allem durch Viren verursacht werden und eine entscheidende Rolle bei der Krankheitsentwicklung spielen könnten.

Vor allem die Corona-Pandemie hat mittlerweile dazu geführt, dass Viren als mögliche Auslöser für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer in den Fokus der wissenschaftlichen Forschung geraten sind.  Jüngste Forschungen haben bereits auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen einem gesteigerten Risiko für Multiple Sklerose und einer vorausgegangenen Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) hingewiesen (siehe hierzu auch: https://www.alzheimer-deutschland.de/aktuelles/beitraege/hauptursache-fuer-multiple-sklerose-gefunden ).

Zwei neu publizierte Studien geben jetzt weitere Einblicke und zeigen einmal mehr auf, welche Rolle Virusinfektionen bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen spielen können.

Viren scheinen mehr Einfluss auf Nervenkrankheiten zu haben als bislang vermutet.

Bisher ist die Ursache für viele neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer noch nicht geklärt. Mediziner:innen und Forschende gingen bislang davon aus, dass vor allem Umwelt- und genetische Faktoren die Hauptgründe für das Ausbrechen dieser Krankheiten sein könnten. Allerdings scheinen virale Infektionen eine deutlich größere Rolle zu spielen als bisher vermutet. Dies geht aus einer amerikanischen Studie hervor, die Gesundheitsdaten von über 800.000 Menschen untersuchte und verglich.

In der Studie analysierte ein Forschungsteam des National Institute on Aging und National Institute of Neurological Disorders and Stroke, USA, zunächst Gesundheitsdaten von 300.000 Patient:innen aus einer finnischen Datenbank, um Zusammenhänge zwischen neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer, ALS, Demenz, MS, Parkinson und vaskulärer Demenz in Bezug auf virale Infektionen wie Windpocken, Epstein-Barr, Meningitis, Hepatitis oder Influenza zu untersuchen. Die Analyse zeigte insgesamt 45 Korrelationen (Zusammenhänge), was auf gleiche oder ähnliche Viruserkrankungen der Betroffenen hindeutet. Zur Bestätigung wurden dann Daten von 100.000 britischen Patient:innen ausgewertet, wobei 22 weitere Korrelationen gefunden wurden.

Entzündungen des Gehirns im Zusammenhang mit Alzheimer-Entstehung untersucht

Die Zeitspanne zwischen einer Viruserkrankung und dem Auftreten einer neurodegenerativen Krankheit variierte dabei zwischen einem und 15 Jahren. Bei einigen Erkrankungen stellten die Forschenden deutlich häufiger Zusammenhänge mit bestimmten Viren fest. „Die stärkste Assoziation bestand zwischen der Exposition gegenüber viraler Enzephalitis und der Alzheimer-Krankheit. Influenza mit Lungenentzündung war signifikant mit fünf der sechs untersuchten neurodegenerativen Erkrankungen verbunden“, so die Forschenden. „Auch die Assoziation zwischen Epstein-Barr und Multipler Sklerose konnten wir mit unseren Daten bestätigen.“

Obwohl die Studienergebnisse signifikante Zusammenhänge zeigen, beweisen sie noch nicht, dass Viren degenerative Erkrankungen auslösen. Es könnte auch sein, dass Betroffene im Umkehrschluss anfälliger für Viruserkrankungen sind. Dies wurde in Tiermodellen und während der Corona-Pandemie bei Alzheimer-Patient:innen beobachtet. Dennoch bestehe unbestreitbar eine Verbindung zwischen den untersuchten Viren und den schweren Erkrankungen. Weitere Untersuchungen und Studien werden erforderlich sein, um festzustellen, ob die Viren tatsächlich die Auslöser sind oder ob es eine bisher unerkannte Verbindung gibt, fasst das amerikanische Forschungsteam zusammen.

Virale Infekte können Alzheimer auch Jahrzehnte später auslösen

Auch in Europa arbeiten Wissenschaftler:innen an neuen Erkenntnissen zur Verbindung von Virusinfektionen und Alzheimer-Erkrankungen. In einer neuen Studie der Universität Freiburg wurde untersucht, ob Virusinfektionen in jüngeren Jahren eine Rolle bei der späteren Entstehung von Alzheimer-Demenz spielen. Die Wissenschaftler:innen zeigten nun in einer Studie mit Mäusen einen Zusammenhang zwischen Entzündungen und Alzheimer und vermuten, dass diese Ergebnisse auf Menschen übertragbar sind.

Forschungsgruppenleiterin Lavinia Alberi Auber erklärte, chronische Entzündungen wie Chlamydien im Alter von 35 Jahren könnten beispielsweise eine Rolle spielen. Um den Zusammenhang zu untersuchen, entwickelten die Forschenden ein neues Mausmodell, das mit dem Polymer PolyI:C arbeitet, das als Pseudo-Virus fungiert und eine ähnliche Reaktion wie eine virale Infektion auslöst.

Die Mäuse erhielten zweimal PolyI:C, einmal vor der Geburt und ein zweites Mal im Erwachsenenalter. Die Wissenschaftler untersuchten dann die Auswirkungen der Entzündungsreaktion auf das Gehirn der Mäuse über deren Lebensspanne. Bisher lag der Forschungsschwerpunkt hauptsächlich auf Infektionen im späteren Leben.

Chronische Entzündungen haben entscheidenden Einfluss auf das Gehirn im Alter

Alberi Auber: „Wir konnten erstmals nachweisen, dass chronische Entzündungen, die früh im Leben aufgrund eines viralen Erregers entstehen, einen entscheidenden Einfluss auf Veränderungen im Gehirn im Alter haben.“ Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Brain, Behavior, & Immunity“ veröffentlicht.

Weitere Studien und Untersuchungen werden in naher Zukunft expliziter zeigen, welche Rolle Virus-Infektionen aller Art bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen tatsächlich spielen. So könnte ein besseres Verständnis der Krankheitsentstehung zur Entwicklung weiterer präventiver Maßnahmen führen und auch dazu, dass Therapieoptionen wie die Transkranielle Pulsstimulation, die bereits im Zusammenhang mit Long-Covid bzw. Post-Covid positiv erforscht wird, noch zielgerichteter eingesetzt werden können.

Quellen:
https://www.cell.com/neuron/fulltext/S0896-6273(22)01147-3
https://science.apa.at/power-search/5036538467378184940