Prof. Ulrich Sprick vom Alexius / Josef Krankenhaus in Neuss über die TPS – eine Zusammenfassung

Am Mittwoch, den 1. Juni 2022 fand ein fachinternes Live-Webinar zur Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) statt, an dem zahlreiche nationale und internationale Mediziner:innen und Forschende teilnahmen. Protagonist des 2. TPS-Webinars dieses Jahres war Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Ulrich Sprick, Chefarzt am Alexius/Josef Krankenhaus in Neuss, der an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf lehrt und forscht. Prof. Sprick, der eine umfangreiche Expertise auf den Gebieten der Psychiatrie und Psychotherapie besitzt, arbeitet mit seinem Team seit gut eineinhalb Jahren mit der TPS in der klinischen Anwendung und ist zudem an multizentrischen klinischen Studien zur TPS federführend beteiligt.

Alzheimer-Demenz: „Es gibt jetzt Mittel und Wege, die Krankheit nicht nur zu stoppen.“

Mit diesen Worten fasste Prof. Sprick seinen Ausblick in Bezug auf die Möglichkeiten der TPS gleich zu Beginn des Webinars zusammen. Ein wichtiges Statement in Anbetracht der Tatsache, dass zu den derzeit ca. 1,6 Millionen Betroffenen allein in Deutschland täglich durchschnittlich 900 neue Demenz-Diagnosen hinzukommen – Tendenz steigend.

Weltweit wird massiv an der Ursachenfindung zur Entstehung dementieller Erkrankungen geforscht, bei denen Erbanlagen, Umwelteinflüsse wie giftige Stoffe, Entzündungen oder auch Autoimmunprozesse ebenfalls eine Rolle zu spielen scheinen. Doch unabhängig von den Ursachen ist das gesellschaftlich große Thema, welche Möglichkeiten die Medizin heute tatsächlich hat, den Betroffenen zu helfen.

Prof. Sprick gab dazu zunächst eine Übersicht jener medizintechnischen Verfahren, die aktuell zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen eingesetzt werden. Hierzu zählten bis Ende 2018 die seit langem bekannte Elektrokonvulsionstherapie (EKT), die bei sonst therapie-resistenten Depressionen genutzt wird, die Magnetstimulation (auch tiefe Magnetstimulation genannt), Gleichstromstimulation (tDCS), Wechselstromstimulation (tACS), die Tiefe Hirnstimulation THS) und die Ultraschall-Stimulation.

Die Tiefe Magnetstimulation, die u. a. bei Schizophrenie, Epilepsie oder auch Parkinson eingesetzt wird, ist ein anerkanntes Verfahren, dringt jedoch  selbst bei höchster Stimulationsintensität durch die applizierten Magnetfelder lediglich in die Gehirnrinde (graue Substanz), nicht jedoch in tiefergelegene Strukturen (Basalganglien, weiße Substanz) ein. Die Verfahren tDCS und tACS eignen sich zur Therapie von Krankheiten, bei denen einzelne Hirnareale beeinträchtigt sind, etwa Schlaganfälle, chronische Schmerzen oder Depressionen. Die Tiefe Hirnstimulation (THS) wiederum ist mit einer Operation verbunden, bei der durch einen neurochirurgischer Eingriff beim Patienten hochpräzise feine Elektroden im Hirn platziert werden, um ein klar umschriebenes Kerngebiet im Gehirn elektrisch zu stimulieren. Die Ultraschall-Stimulation schließlich erzeugt aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften eine Erwärmung des Gewebes und kann dieses, so Prof. Sprick, regelrecht zerkochen. Doch was bei anderen Indikationen und Anwendungen, z. B., um nicht-invasiv Läsionen zu setzen oder neuronale Verbindungen zu unterbrechen, wünschenswert bzw. gewollt ist, darf bei der Behandlung einer Demenz nicht geschehen. Hier darf es zu keinerlei Erwärmung kommen. Im Fazit: Zur Behandlung der Alzheimer-Demenz und Demenz-Mischformen sind diese Verfahren allesamt nicht geeignet.

Transkranielle Pulsstimulation (TPS) – ein neuer Ansatz der Therapie und ihre Wirkmechanismen

Die TPS hingegen arbeitet mit niedrigenergetischen Stoßwellen, die sehr kurze, singuläre Impulse von ca. drei bis fünf Mikrosekunden andauern und bis zu acht Zentimeter tief in das Gehirn eindringen können. Somit kann mit der TPS erstmals das gesamte Gehirnareal erreicht werden, zumal ohne Gewebe und Strukturen zu schädigen. Was nun die Wirkmechanismen der TPS anbelangt, die in der Forschung diskutiert werden, wies Prof. Sprick auf folgende Erklärungsmodelle für das Zustandekommen der Wirkung auf molekularer bzw. biochemischer und biophysikalischer Ebene wie folgt hin:

  • Mechanische Effekte an der Zellmembran beeinflussen Ionen-Kanäle und induzieren eine Poration (kurzzeitige Erzeugung der Durchlässigkeit von Zellmembranen);
  • Veränderungen von Neurotransmittern (Dopamin, Serotonin, GABA –  Transmitter, die positive Effekte auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit bewirken können);
  • Induktion trophischer Faktoren – dies ist die Bezeichnung für alle Faktoren, die einerseits die Zell-Differenzierung – sowohl auf morphologischer als auch auf biochemischer Ebene – stimulieren und andererseits für das Überleben von Zellen mitverantwortlich sind;
  • Öffnung der Blut-Hirn-Schranke;
  • Veränderung des Stickstoffgehalts (NO) im Gewebe;
  • Aktivierung der Mikroglia (die mobilen Zellen im Gehirn) mit anschließender Reduktion der Plaques;
  • Proliferation (Bezeichnung für schnelles Wachstum beziehungsweise Vermehrung von Gewebe) und Differenzierung von neuronalen Stammzellen;
  • Und insgesamt: Deutliche Förderung der Neuroplastizität (siehe hierzu Link zu Neuroplastizität)

TPS-Behandlungsfälle im Alexius/Josef Krankenhaus – beeindruckende Leistungen der TPS

Inwieweit die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) diese Wirkmechanismen auch in der klinischen Praxis erfüllen kann, zeichnete Prof. Sprick anhand einiger Fälle aus seinem Krankenhaus nach:

So besprach er u. a. den Fall einer 65-jährigen Patientin mit laborchemisch bestätigtem Morbus-Alzheimer, die ein ausgeprägtes Defizit in den Exekutivfunktionen zeigte. Sie wurde innerhalb von zwei Wochen sechs Mal mit der TPS behandelt und wurde zuvor und danach umfangreich mit CERAD (verschiedene neuropsychologische Tests) und einem BDI (Beck Depression Inventar – ein Testverfahren zur Ermittlung der Schwere einer Depression) getestet. Das Ergebnis: Die TPS führte zu einer deutlichen Gesamtverbesserung. Der Test nach der sechsten Stimulation lag bei der Hälfte des Ausgangswertes und nach einer weiteren Auffrischungsbehandlung zwei Monate später besserte sich das Gesamtergebnis nochmals um 20%.

Ebenso beeindruckend ist ein weiterer Fall-Bericht von Prof. Sprick: Ein 63-jähriger Patient mit laborchemisch bestätigtem Morbus Alzheimer  wurde in seinem Krankenhaus stationär aufgenommen und sollte nach der Behandlung in ein Pflegeheim verlegt werden. Der Patient saß im Rollstuhl und hatte neben den Gedächtnisdefiziten und reduzierte Exekutivfunktionen eine ausgeprägte Sprachstörung. Er war nur noch in der Lage, einzelne Töne, jedoch keine Worte oder gar Sätze, von sich zu geben.

Bereits nach der vierten TPS-Sitzung zeigte der Patient eine deutliche Verbesserung der Motorik und Sprache. Bis auf ein leichtes Stottern konnte er wieder normal sprechen und benötigte auch seinen Rollstuhl nicht mehr, da er wieder allein gehen und sprechen konnte. Dank der TPS konnte der Patient nach Hause entlassen werden und musste nicht in ein Heim. Der Patient – und auch Prof. Sprick und sein Team – zeigten sich von diesem Ergebnis begeistert.

Weitere Studien in Arbeit – Beweislage soll stärker werden

Natürlich sind viele weitere klinischen Forschungen bzgl. der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) nötig, so Prof. Sprick, der seine erste eigenen Erfahrungen mit der TPS als positiv bezeichnet und die Erfahrung weitergab, dass ca. 60 – 65% der behandelten Patient:innen anhaltende funktionelle Verbesserungen aufweisen.  Auch er arbeitet mittlerweile gemeinsam mit anderen Forschenden an klinischen Studien, die die Wirkmechanismen und das Potential der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) untersuchen.