Doch massive Nebenwirkungen und Todesfälle dämpfen die Euphorie

Nach vielen Jahren des Stillstands und der Fehlschläge kommen auch aus der pharmazeutischen Alzheimer-Forschung wiederum ermutigende Nachrichten: Gemäß Angaben des Herstellers Eli Lilly kann ein neuartiges Alzheimer-Medikament mit dem Wirkstoff Donanemab den Krankheitsverlauf im Anfangsstadium verlangsamen.

Der US-Pharmariese Eli Lilly plant nun, noch in diesem Quartal die Zulassung bei der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zu beantragen. Fachleute betrachten dies als „echten Fortschritt“, weisen jedoch gleichzeitig auf die nicht zu vernachlässigenden und teils gravierenden Nebenwirkungen hin, die bei drei Studienteilnehmer:innen zum Tod geführt hatten. Gleichwohl sind die Erwartungen enorm.

Denn die entscheidende dritte Studie des Konzerns hat ergeben, dass der Antikörper Donanemab den kognitiven Verfall bei den teilnehmenden Patient:innen, die an beginnenden bzw. leichten Alzheimer-Demenz-Symptomen um rund 35 Prozent reduziert hat. Dies geht aus einer Pressemitteilung des Herstellers hervor, die vor kurzen veröffentlicht und weltweit zitiert wurde. Eli Lilly gab darin an, dass das Medikament alle Studienziele in der Untersuchung erfüllt habe. Auch an den Börsen sorgten die neuen Daten für einen entsprechenden Schub: Die Eli-Lilly-Aktie ging auf ein neues Rekordniveau: Das Kursplus Juni 2022 beläuft sich inzwischen auf knapp 40 Prozent.

Donanemab bei Patient:innen mit ersten Symptomen und Alzheimer im Anfangsstadium getestet

In der neuesten klinischen Studie bekamen 1.736 Teilnehmer:innen eine monatliche Infusion des Antikörpers über einen Zeitraum von 18 Monaten. Von diesen Patient:innen zeigten 1.182 erste Symptome von Demenz und im Gehirn nachweisbare Amyloid-Plaques. Zusätzlich hatten 552 Patient:innen, die ebenfalls im Anfangsstadium der Krankheit waren, eine besonders hohe Konzentration von falsch gefalteten Tau-Proteinen im Gehirn. Dies ist ein Zustand, der als Indikator für besonders schnell voranschreitende Demenz angesehen wird. In der Studie erhielt jeweils die Hälfte der Proband:innen ein Placebo, während die andere Hälfte das Antikörper-Medikament verabreicht bekam.

Fortschritt der Demenz im Durchschnitt um 35 Prozent verlangsamt

Die Ergebnisse zeigten, dass die Therapie mit Donanemab die Menge der Amyloid-Plaques im Gehirn der Proband:innen reduzieren konnte. Bei 71 Prozent der Teilnehmer:innen waren nach zwölf Monaten nur noch normale Plaque-Werte nachweisbar. Im Durchschnitt verlangsamte sich der Fortschritt der Demenz um 29 Prozent im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Die Wirkung war sogar noch stärker bei der größeren Gruppe von Alzheimer-Patienten ohne erhebliche Tau-Akkumulationen, bei denen sich der Fortschritt der Demenz im Durchschnitt um 35 Prozent verlangsamte.

Ein weiterer Aspekt war, dass die Fähigkeit der Patient:innen, ihren Alltag zu bewältigen und alltägliche Aufgaben selbstständig zu erledigen, länger stabil blieb. Hier wurde der Abbau im Vergleich zu den Testpatient:innen in der Kontrollgruppe um 40 Prozent verlangsamt. Daniel Skovronsky von den Lilly Research Laboratories kommentierte, dass dies die erste Phase-3-Studie für ein Alzheimer-Medikament sei, die eine Verlangsamung des klinischen und funktionalen Abbaus um 35 Prozent zeige.

Gravierende Nebenwirkungen: Wissenschaftler:innen mahnen zur Vorsicht.

Doch Euphorie und Hoffnung werden gedämpft durch die erheblichen Nebenwirkungen: Donanemab zeigte in der Studie, dass es ähnlich wie andere Antikörperpräparate wie der vor wenigen Monaten in den USA vorläufig zugelassene Wirkstoff Lecanemab, bei einem Drittel der Proband:innen Hirnschwellungen, Hirnödeme und Mikroblutungen im Gehirn verursachte. Bei drei Testpersonen waren die Nebenwirkungen so gravierend, dass sie daran verstarben.

In Wissenschaftskreisen herrscht einerseits Ermutigung, da es nach vielen Enttäuschungen in der Entwicklung von Alzheimer-Medikamenten scheint, als ob Forschungsansätze mit Antikörper-Medikamenten endlich erfolgreich sind. Allerdings gibt es auch viele kritische Stimmen, die dazu aufrufen, die Möglichkeiten von Donanemab nicht zu überschätzen.

„Donanemab kann die Alzheimer-Krankheit weder heilen noch stoppen“

Für den einzelnen Patienten wird die positive Wirkung nach 18 Monaten kaum spürbar sein“, sagt etwa Prof. Stefan Teipel, Leiter der Forschungsgruppe Klinische Demenzforschung in Rostock, zu den Studienergebnissen. Die Hoffnung sei, „dass die Effekte über längere Zeiträume anhalten, was bislang aber noch nicht gezeigt wurde“.

Die Studienergebnisse zu Donanemab seien ein „wirklicher Fortschritt für die Patienten“, sagte Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln. Grundsätzlich sei die Wirkung von Donanemab und Lecanemab vergleichbar. „Für einen genauen Vergleich muss man die Studiendaten sehen und hoffentlich auch zukünftig in der Versorgung in Deutschland mit diesen Substanzen vergleichende Erfahrung sammeln.“

Donanemab sei „leider kein Gamechanger, aber möglicherweise ein nächster Schritt in die richtige Richtung“, sagte auch Linda Thienpont, Leiterin Wissenschaft bei der Alzheimer Forschung Initiative. „Es kann die Alzheimerkrankheit weder heilen noch stoppen, aber auch wie Lecanemab zumindest den kognitiven Abbau verlangsamen.“ Thienpont unterstrich allerdings auch noch einmal die teils schweren Nebenwirkungen, der Wirkungseffekt sei „teuer erkauft“.

Trotz aller Risiken wollen die Amerikaner bis Ende Juni 2023 nun die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) erwirken, weitere Länder sollen danach folgen.

Quellen:

https://investor.lilly.com/news-releases/news-release-details/lillys-donanemab-significantly-slowed-cognitive-and-functional

https://theconversation.com/new-alzheimers-drug-what-you-need-to-know-about-donanemabs-promising-trial-results-205156

https://www.scinexx.de/news/medizin/antikoerper-bremst-alzheimer-demenz/