Kostenlawine in der Pflege: Pflegekosten werden immer mehr privates Risiko

In Anbetracht zunehmender Ausgaben in der Pflegeversicherung erwarten Fachleute in den kommenden Jahren signifikante Anstiege der Beitragssätze. Laut aktuellen Berichten wird prognostiziert, dass diese Sätze bis 2040 um mehr als ein Viertel steigen könnten. Dies berichtet am 15. Januar 2024  das Deutsche Ärzteblatt.

Jürgen Wasem, ein renommierter Gesundheitsökonom der Universität Duisburg-Essen, prognostiziert einen erheblichen Anstieg der Pflegebeiträge bis 2040, der deutlich über einem Viertel liegen könnte. Wasem betont, dass eine „Kostenlawine“ in der Pflege unmittelbar bevorsteht, wobei der Beitragssatz in den nächsten 15 Jahren auf über fünf Prozent steigen könnte. Diese Entwicklung wird hauptsächlich mit einer Verdopplung der Pflegekosten verbunden, die jährlich auf mehr als 100 Milliarden Euro ansteigen könnten.

Günter Neubauer, ein weiterer bekannter Gesundheitsökonom aus München, sieht sogar einen möglichen Anstieg des Beitragssatzes auf bis zu 6,25 Prozent bis zum Jahr 2040. Neubauer macht insbesondere den deutlichen Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen für diese Entwicklung verantwortlich. Diese Prognosen verdeutlichen die dringende Notwendigkeit, das Finanzierungssystem der Pflegeversicherung zu überdenken und anzupassen.

Eigenanteil für Pflegeheim-Bewohner:innen liegt derzeit durchnittlich bei 2.500 Euro

Zusätzlich zu den steigenden Beitragssätzen gibt es Bedenken hinsichtlich der hohen Kosten, die Pflegeheimbewohner selbst tragen müssen. Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, äußerte sich kritisch zu den derzeitigen Eigenanteilen, die Pflegeheimbewohner tragen müssen.

Bei einer monatlichen Belastung von durchschnittlich 2.500 Euro der Betroffenen stellt sie die Angemessenheit des Begriffs „Versicherung“ in Frage. Auch monatliche Eigenanteile in Höhe von 4.000 Euro sind mittlerweile keine Ausnahme mehr. In ihrer Aussage, die sie vergangene Woche in Berlin traf, betonte sie, dass eine Gesellschaft, die die Pflege als wichtige gesellschaftliche Aufgabe anerkennt, solche hohen Eigenanteile nicht akzeptieren sollte. Die Situation zeige die Notwendigkeit, die Finanzierung der Pflegeversicherung zu überprüfen und anzupassen, um eine gerechtere Lastenverteilung zu gewährleisten.

Pflege wird zunehmend zu einer privaten Belastung und endet zunehmend bei der Sozialhilfe

Die rapide steigenden Kosten im Pflegebereich führen dazu, dass Pflege zunehmend zu einer privaten Belastung wird. Dieser Trend wird durch die aktuelle Politik nicht ausreichend abgefangen, was langfristige negative Auswirkungen auf das Sozialsystem haben könnte, da immer mehr Pflegeheim-Bewohner:innen auf Sozialhilfe angewiesen sein werden.

 Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, fordert der Sozialverband VdK ein nachhaltiges Finanzierungskonzept für die Pflegeversicherung. Die Zielsetzung dabei ist, die Pflegeversicherung in eine Vollversicherung umzuwandeln, die alle pflegebedingten Kosten abdeckt. Dies soll verhindern, dass Pflegebedürftige in Armut geraten oder Menschen, die zu Hause gepflegt werden, unzureichend versorgt sind.

Erweiterte und leistbare Therapie-Angebote könnten Pflegenotwendigkeit reduzieren

Dem demografischen Wandel ist nichts entgegenzusetzen, den Kostenexplosionen und dem Umgang mit erkrankten und pflegebedürftigen Menschen jedoch schon. Im Bereich der neurodegenerativen und neurophysiologischen Erkrankungen wie Alzheimer-Demenz, anderen Formen der Demenz oder auch Parkinson, deren Betroffene einen immer größeren Teil der Pflegebedürftigen ausmachen, wurden in den vergangenen Jahren neue und wirksame Behandlungsmöglichkeiten entwickelt, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder zumindest deutlich verlangsamen könnten.

Hierzu gehören die verschiedenen Verfahren der Hirnstimulation, die auf Neuroregeneration setzen, immer besser erforscht sind und auch zunehmend angewandt werden. Neben der tiefen Magnetstimulation (TMS), der transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS) und anderen, hat sich insbesondere das nicht-invasive Hirnstimulations-Verfahren Transkranielle Pulsstimulation (TPS) bereits deutlich verbreitet. Mit dieser ambulanten Therapie konnten bislang über 10.000 Patient:innen behandelt werden. Allerdings sind all diese Therapiemethoden, die sicher und letztlich nebenwirkungslos für die Patient:innen sind, noch keine Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, was wiederum eine Hürde für die Betroffenen und ihre Angehörigen darstellt – und somit die Zahl der pflegebedürftigen Patient:innen, teils unnötig, weiter ansteigen lässt.

Zunehmend fordern daher Fachverbände und Expertengruppen eindringlich, der Bevölkerung einen einfacheren und flächendeckenden Zugang zu diesen neuen Therapieformen zu gewähren (siehe hierzu auch: https://publica.fraunhofer.de/entities/publication/c305e42c-4c07-497c-8860-460ccb5e0a7c/details ).

In Anbetracht der Herausforderungen, vor denen Betroffene und die Gesundheitssysteme stehen, wäre auch in diesem Bereich rasches und konstruktives Handeln notwendig.

Quellen:

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/148596/Gesundheitsexperten-Pflegebeitraege-werden-weiter-steigen
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/148534/Trotz-Kostenbremse-Pflege-im-Heim-wird-immer-teurer