Wie unser Gehirn nachts aufräumt, Abfallstoffe wie Beta-Amyloid entfernt und warum auch die TPS das glymphatische System stärken könnte

Das Gehirn ist eines der komplexesten Organe des menschlichen Körpers. So bleibt trotz intensiver Forschung über mehr als ein Jahrhundert die genaue Ursache der Alzheimer-Krankheit immer noch ungeklärt. Zahlreiche Hypothesen versuchen, die Prozesse zu erklären, die zu dieser Form der Demenz führen.

Besonders prominent, jedoch kontrovers diskutiert, ist die sogenannte Amyloid-Hypothese (siehe hierzu: Amyloid-Hypothese kontrovers diskutiert), die sich auf das Protein Beta-Amyloid konzentriert. Viele Wissenschaftler sind jedoch der Ansicht, dass die alleinige Bekämpfung dieses einen Proteins nicht ausreicht. Parallel dazu richten sich daher andere Forschungsansätze auf ein weiteres Protein, Tau genannt, sowie auf gestörte Neurobotenstoffe oder entzündliche Prozesse im Gehirn.

Ein weiteres Puzzle-Teil mit faszinierenden Funktionen wurde erst vor 12 Jahren – in der Wissenschaft nur ein Wimpernschlag – entdeckt: Das sogenannte „glymphatische System“, das Gehirn-eigene Reinigungsprogramm, dass nahezu nur dann aktiv ist, wenn wir schlafen. Wegen seiner Ähnlichkeit zum Lymphsystem des Körpers nannten die Wissenschaftler diese Gehirnfunktion „glymphatisches System“ – eine Bezeichnung, die sich aus den Begriffen „Glia“ (spezialisierte Zellen des Nervensystems) und „Lymphe“ zusammensetzt.

Wie ein unsichtbarer Hausmeister sorgt das glymphatische Gehirn dafür, dass Abfallstoffe aus den tiefen Gefilden des Gehirns entfernt werden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse rücken dieses System ins Zentrum der Forschung, insbesondere im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, anderen Formen der Demenz oder Parkinson.

Das glymphatische System: Wie unser Gehirn „aufräumt“

Eine aktuelle Studie der Washington University School of Medicine in St. Louis hat gezeigt, dass synchronisierte neuronale Netzwerke großamplitudige, rhythmische ionische Wellen im interstitiellen (also in den Zwischenräumen des Gewebes) Flüssigkeitsraum des Gehirns erzeugen. Diese Wellen fördern den Fluss der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) durch das Hirngewebe und unterstützen so die Entfernung von Stoffwechselabfällen.

Im Schlaf ist unser Gehirn besonders aktiv – nicht mit Denken oder Träumen, sondern mit Aufräumen. Das glymphatische System spielt dabei die Hauptrolle. Es handelt sich um ein Netzwerk aus Kanälen, die von Gehirnflüssigkeit durchströmt werden und wie eine Art Spülsystem funktionieren. Über diese Kanäle werden schädliche Stoffwechselprodukte wie Beta-Amyloid, Tau-Proteine, Laktat oder Abbauprodukte von oxidativem Stress einschließlich reaktiver Sauerstoffspezies, aus dem Gehirn transportiert.

Die Forschung hat herausgefunden, dass dieses Reinigungsprogramm am effektivsten während tiefer Schlafphasen abläuft. Diese großamplitudigen Wellen, die während des Tiefschlafs auftreten, wurden als Schlüsselfaktor für die Reinigung des Gehirns identifiziert. Dabei erweitern sich die Kanäle, und die Gehirnflüssigkeit kann effizienter durch das Gewebe fließen. Dieses „Spülsystem“ ist lebenswichtig: Funktioniert es nicht richtig, können sich Abfallstoffe im Gehirn ansammeln und die Gesundheit langfristig beeinträchtigen.

Was beeinflusst das glymphatische System?

Die Funktionsfähigkeit des glymphatischen Systems hängt von mehreren Faktoren ab. Einer der wichtigsten ist ein gesunder Schlafrhythmus. Schlafmangel oder gestörter Schlaf können die „Reinigungsarbeit“ des Systems erheblich einschränken. Auch der Flüssigkeitshaushalt im Körper spielt eine Rolle, da das glymphatische System auf eine ausreichende Menge an Gehirnflüssigkeit angewiesen ist.

Interessant ist auch der Einfluss des Alters: Mit zunehmendem Alter nimmt die Effizienz des Systems ab. Dies könnte erklären, warum ältere Menschen ein höheres Risiko für neurodegenerative Erkrankungen tragen. Aktuelle Studien untersuchen zudem, wie Lebensstilfaktoren wie Stress, Ernährung oder Bewegung das glymphatische System beeinflussen.

Glymphatisches System: Ein weiteres Puzzle-Teil in der Alzheimer-Forschung

Die Entdeckung des glymphatischen Systems hat in der Alzheimer-Forschung wiederum neue Türen geöffnet. Wissenschaftler sehen in der Optimierung dieses Systems einen möglichen Ansatz zur Prävention und Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen. Therapien, die den Schlaf fördern, könnten zum Beispiel helfen, die Effizienz des „Reinigungsprogramms“ zu steigern.

Einfluss der TPS-Stoßwellen könnte über funktionelle elektrische Netzwerke hinaus auch das glymphatische System unterstützen

Und auch innovative Behandlungsmethoden wie das nicht-invasive Hirnstimulationsverfahren Transkranielle Pulsstimulation (TPS) zeigen interessante Ergebnisse in Bezug auf das glymphatische System. In einer aktuellen explorativen Studie von Prof. Lars Wojtecki von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zeigte sich, dass durch den Einsatz der Transkranielle Pulsstimulation (TPS) bei Alzheimer-Patienten eine Zunahme der Gamma-Leistung nach Gamma-tACS in Verbindung mit verringerten Beta-Amyloid-Spiegeln im Hippocampus festgestellt wurde.

Daher sollten Veränderungen durch die TPS in Gamma-Netzwerken mit besonderem Interesse beobachtet werden, so Prof. Wojtecki und Team, da die Stoßwellen das glymphatische Reinigungssystem des Gehirns positiv beeinflussen könnten, indem sie die Entfernung von Abfallstoffen unterstützen. Künftige Studien werden diese Beobachtungen weiter untersuchen.

Schlaf als weiterer Schlüssel zur Prävention

Ein gesunder Schlaf ist von zentraler Bedeutung, sowohl zur Prävention als auch im Umgang mit neurodegenerativen Erkrankungen. Daher ist es wichtig, auf einen erholsamen Schlaf zu achten, der durch verschiedene Strategien gefördert werden kann. Dazu gehören ein regelmäßiger Schlafrhythmus, eine ruhige und angenehme Schlafumgebung sowie Techniken zur Stressbewältigung. Auch eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung können die Schlafqualität positiv beeinflussen. Indem man diese Maßnahmen in den Alltag integriert, lässt sich nicht nur die Gehirngesundheit fördern, sondern auch das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen deutlich reduzieren.

Quellen:

Studie „Neuronal dynamics direct cerebrospinal fluid perfusion and brain clearance“:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38418877

Studie „Electrical brain networks before and after transcranial pulsed shockwave stimulation in Alzheimer’s patients“:
https://link.springer.com/article/10.1007/s11357-024-01305-x