
Warum die Zahl der Parkinson-Erkrankungen weltweit steigt – und was die neuesten TPS-Forschungsdaten aus Italien über die therapeutische Ergänzung mit der Stoßwellen-Therapie zeigen
Parkinson-Erkrankungen nehmen weltweit deutlich zu. Eine Studie im Fachjournal BMJ prognostiziert, dass sich die Zahl der Betroffenen bis 2050 mehr als verdoppeln könnte – von rund 11,9 Millionen im Jahr 2021 auf weit über 20 Millionen Erkrankte. Ein früherer Forschungsbericht zeigte bereits vor Jahren einen Anstieg von rund 24 Prozent pro Jahrzehnt, vor allem in älteren Bevölkerungsgruppen. Gleichzeitig melden die USA einen alarmierenden Trend: Laut Daten der amerikanischen Parkinson Foundation ist die Zahl der jährlichen Diagnosen in den USA binnen weniger Jahre um 50 Prozent auf fast 90.000 Fälle pro Jahr gestiegen.
Lange galt Morbus Parkinson als reine Alterskrankheit. Doch international mehren sich Hinweise, dass vor allem auch Umweltfaktoren (etwa Pestizide und Schwermetalle), dadurch veränderte Stoffwechselprozesse und immunologische Mechanismen eine Rolle spielen könnten – ein Thema, das für künftige Präventionsstrategien von hoher Bedeutung ist. Es verdeutlicht aber auch, weshalb neue therapeutische Optionen dringend erforscht werden müssen, insbesondere für jene Menschen, bei denen Medikamente allein nicht ausreichen oder deren Einnahme mit deutlichen Nebenwirkungen einhergehen.
Transkranielle Pulsstimulation (TPS): eine neue Option bei Parkinson aus der nicht-invasiven Hirnstimulation
Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) gehört zur Gruppe der Nicht-invasiven Hirnstimulationen (NIBS). Dabei werden mechanische Impulse in Form äußerst niedrigenergetischer Stoßwellen von außen durch die Schädeldecke geschickt und mit navigationsgestützten Systemen auf bestimmte Hirnareale gerichtet. Diese Methode kommt ohne Operation, ohne Implantate und ohne Narkose aus. Bereits in früheren Studien zu Parkinson (aktuell wird dazu auch an einer der renommiertesten Institutionen der Welt, der Harvard Medical School, geforscht) hat sich das Neuromodulationsverfahren TPS als vielversprechende Behandlungsoption erwiesen.
Neue Studie aus Italien: Nur vier Sitzungen mit der TPS und messbare Ergebnisse
Auch gemäß der neuen klinischen Arbeit von Paolo Manganotti und Forschungskollegen (publiziert im Fachjournal „Parkinson and Related Disorders“) von der Universität Triest wurden mit der TPS bei den Parkinson-Probanden neurologische Signale mechanisch angeregt. Es zeigt sich, dass mit den Stoßwellen der TPS-Therapie auch Prozesse beeinflusst werden könnten, die die Funktion von Neurotransmittern wie Dopamin oder Serotonin betreffen – also genau jene Substanzen, die bei Parkinson eine wichtige Rolle spielen.
An der Studie nahmen zehn Parkinson-Patienten im Alter zwischen 52 und 76 Jahren mit dem Schwerpunkt Tremor teil. Die Behandlung mit der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) erfolgte, jeweils ambulant, viermal innerhalb von zwei Wochen.
Das Ergebnis: Die Autoren berichten signifikante Verbesserungen in zentralen klinischen Bewertungsbereichen – darunter der UPDRS-Gesamtscore, der motorische Testteil (UPDRS-III) und insbesondere die Tremor-Unterkategorie. Verbesserungen waren nicht nur unmittelbar nach der Behandlung, sondern auch zwei Wochen später messbar. Zusätzlich zeigte sich eine Verbesserung der Lebensqualität, erhoben mittels PDQ-8 – einem der international etablierten Parkinson-Fragebögen.
Wichtig ist dabei, dass die TPS-Behandlung auch in dieser Studie als gut verträglich beschrieben wurde, denn es traten keine relevanten Nebenwirkungen auf. Dies stützt die Einordnung von TPS als mögliche ergänzende Therapieoption bei Parkinson-Patienten weiterhin, zumal bei jenen, die Medikamente nur schwer oder gar nicht vertragen beziehungsweise bei denen die Medikation keinen Nutzen zeigt.
TPS bei Parkinson: Warum besonders der Tremor reagiert
Tremor ist ein zentrales Symptom vieler Parkinson-Betroffener und kann den Alltag erheblich einschränken – beim Essen, beim Schreiben, bei handwerklicher Arbeit.
Zur Erklärung: Ein Tremor ist ein unwillkürliches Zittern bei Parkinson-Patienten – meist der Hände, Arme oder Beine, manchmal auch des Kopfes oder der Stimme. Dieses Zittern entsteht nicht bewusst und lässt sich durch Willenskraft kaum kontrollieren. Es handelt sich dabei um rhythmische Muskelbewegungen, die in regelmäßigen Abständen auftreten und für viele Betroffene sowohl im Alltag als auch emotional sehr belastend sind – beim Schreiben, Essen, Ankleiden oder bei feinmotorischen Tätigkeiten.
Die Ursachen dieses Zitterns liegen nicht in den Muskeln selbst, sondern in den Steuersystemen des Gehirns, die Bewegungen normalerweise flüssig koordinieren. In der Fachwelt spricht man von neuronalen Netzwerken, also von Verbindungen zwischen verschiedenen Hirnregionen, die sich gegenseitig Signale senden.
Wenn dort Rhythmusstörungen entstehen, sendet das Gehirn falsche Taktsignale an die Muskeln – und daraus entsteht das Zittern. Studien vermuten, dass besonders zwei Netzwerk-Schaltkreise betroffen sind:
- der cortico-basale-thalamo-kortikale Kreislauf (vereinfacht: ein Regelkreis zwischen Bewegungszentrum, Basalganglien und Schaltzentrale Thalamus)
und der
- cerebello-thalamo-kortikale Kreislauf (vereinfacht: der Regelkreis zwischen Kleinhirn – wichtig für Koordination – und Thalamus)
Man kann sich diese Netzwerke vorstellen wie zwei miteinander verbundene Dirigenten, die den Bewegungsrhythmus vorgeben. Kommt der Takt aus dem Gleichgewicht, entsteht ein „Fehlrhythmus“, der sich als Zittern äußert.
Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) könnte – so die Annahme der Forscher – mit ihren mechanisch ausgelösten Stoßwellen-Impulsen dazu führen, diese Netzwerke neu zu regulieren und/oder ihr Signalverhalten zu verändern. Das könnte erklären, warum gerade der Tremor in dieser Studie besonders deutlich auf die Behandlung reagiert hat . Vereinfacht gesagt: Die TPS scheint just dort anzusetzen, wo rhythmische Fehlsteuerungen im motorischen Gehirnsystem entstehen.
Einordnung mit Weitsicht: wachsende Evidenz der TPS als ergänzende Therapie-Option bei Parkinson
Auch wenn diese neue Studie noch klein ist und ohne Kontrollgruppe auskommt, reiht sie sich in eine zunehmende Zahl internationaler Forschungsarbeiten ein, die Effekte der Transkraniellen Pulsstimulation bei Parkinson untersuchen. Interessant ist, dass diese Ergebnisse das bestätigen, was viele neurologische und psychiatrische Kliniken und Praxen – natürlich noch im Rahmen der sogenannten Off-Label-Therapie (also: eine medizinische Anwendung außerhalb einer bestehenden Zulassung, wenn eine Therapie ihren Nutzen und Wirksamkeit bereits anderweitig belegt hat) – schon seit einigen Jahren beobachten: Dass die TPS-Therapie bei vielen Parkinson-Betroffenen zu einer spürbaren Verbesserung von Beweglichkeit, Tremor-Kontrolle und Alltagsfunktion beitragen kann und damit häufig auch zu einer erhöhten Lebensqualität für Patienten und Angehörige.
Aus wissenschaftlicher Sicht wird die TPS bei Parkinson derzeit als ergänzende, nicht ersetzende Behandlung eingeordnet – eine sogenannte additive Therapie, die bestehende Medikamente oder physiotherapeutische Maßnahmen nicht ablöst, sondern potenziell sinnvoll ergänzt, wenn die Belastung trotz Standardtherapie hoch bleibt oder Nebenwirkungen den Handlungsspielraum einschränken.
Die neue Studie von Manganotti und Kollegen liefert hierfür wichtige, strukturiert erhobene Daten, die den nächsten Schritt markieren – von der klinischen Erfahrung hin zu wissenschaftlich dokumentierten Ergebnissen im Alltag von Parkinson-Patienten.
Studie im pdf-Format:

