Steigende Prävalenz neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson: Welche Rolle spielen Umweltfaktoren?
Die Zahlen sind erschreckend. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Prävalenz von Alzheimer-Demenz, anderen Demenzformen und Parkinson weltweit vervielfacht. Besonders alarmierend: Diese Krankheiten treffen immer häufiger Menschen, die noch mitten im Leben stehen. Parkinson etwa wird zunehmend auch bei Menschen in ihren Vierzigern diagnostiziert, und die Frühform der Alzheimer-Krankheit tritt häufiger auf als noch vor 30 Jahren.
Lange wurde über die Ursachen gerätselt. Ist es eine Folge des demografischen Wandels? Oder spielen Umweltfaktoren, vor allem die Belastungen mit Mikroplastik und PFAS, den sogenannten „Ewigkeitschemikalien“ eine größere Rolle als bisher angenommen? Immer mehr Forschungsergebnisse legen nahe, dass es nicht die eine Ursache für neurodegenerative Erkrankungen gibt. Vielmehr sind es komplexe Wechselwirkungen zwischen Genetik, Lebensstil, Ernährung – und zunehmend auch von gefährlichen Umweltgiften, die wir Menschen selbst entwickelt haben.
Ein Aspekt, der erst jetzt in den Fokus rückt, sind nämlich die Belastungen mit Mikroplastik und Ewigkeitschemikalien (PFAS). Diese unsichtbaren Schadstoffe begleiten uns täglich – in der Luft, im Wasser, in der Nahrung. Und sie gelangen bis in unser Gehirn. In der Wissenschaft erhärtet sich zunehmend der Verdacht, dass sie an der Entstehung von Alzheimer und Parkinson beteiligt sind.
Mikroplastik im Gehirn: Eine tickende Zeitbombe?
Mikroplastik besteht aus winzigen Kunststoffpartikeln, die kleiner als fünf Millimeter sind – oft aber noch viel kleiner. Besonders bedenklich sind Nanoplastikpartikel, die mit bloßem Auge nicht zu sehen sind. Diese Teilchen sind so winzig, dass sie biologische Barrieren wie die Blut-Hirn-Schranke überwinden können: Eine aktuelle Studie ergab, dass Menschen mit Demenz bis zu fünfmal höhere Mengen an Mikroplastik im Gehirn aufweisen als gesunde Vergleichspersonen. Die Plastikpartikel fanden sich besonders in den Blutgefäßen des Gehirns und in Immunzellen, die sich dort angesammelt hatten.
Eine der größten offenen Fragen lautet daher: Führt die Anhäufung von Mikroplastik im Gehirn direkt zu neurodegenerativen Prozessen, oder verstärkt sie „nur“ bereits bestehende Schäden? Studien an Tiermodellen zeigen, dass Mikroplastik in der Lage ist, Entzündungen im Gehirn auszulösen, die Nervenzellen schädigen und möglicherweise die Ablagerung von Beta-Amyloid verstärken – einem Schlüsselmarker für Alzheimer.
Neuer Mechanismus entdeckt: Mikroplastik verursacht Mikrothrombosen
Noch brisanter sind die neuesten Erkenntnisse zu den direkten Auswirkungen von Mikroplastik auf das Gefäßsystem. Eine aktuelle Studie im Fachjournal „Science Advances“ zeigt, dass Mikroplastik nicht nur ins Gehirn gelangt, sondern dort auch Mikrothrombosen verursacht.
Das bedeutet, dass die Plastikpartikel in den winzigen Kapillaren des Gehirns stecken bleiben und dort den Blutfluss behindern können – ähnlich wie bei einem Schlaganfall, nur in mikroskopischem Maßstab. Die Folge ist eine schleichende Minderdurchblutung bestimmter Hirnareale, was langfristig Nervenschäden zur Folge haben kann.
Besonders beunruhigend ist, dass Mikroplastikpartikel anscheinend von Immunzellen im Blut aufgenommen werden, wodurch diese Zellen größer und unbeweglicher werden. Dadurch können sie sich in den Kapillaren des Gehirns festsetzen und die Durchblutung stören.
Dieses neue Verständnis wirft viele Fragen auf. Sind Mikroplastikpartikel vielleicht sogar ein bislang übersehener Faktor bei vaskulären Demenzen? Könnte ihre Anhäufung eine Erklärung für die zunehmenden Durchblutungsstörungen im Gehirn sein, die bei vielen Alzheimer- und Parkinson-Patienten auftreten?
Ewigkeitschemikalien (PFAS) – unsichtbare Bedrohung für das Nervensystem
Neben Mikroplastik rücken auch sogenannte Ewigkeitschemikalien (PFAS – per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) in den Fokus der Wissenschaft. Diese Chemikalien sind besonders stabil und kommen in vielen Alltagsprodukten vor: Teflonpfannen, wasserabweisende Outdoor-Bekleidung, Fast-Food-Verpackungen, Kosmetika und sogar in Zahnseide. Das Problem: PFAS bauen sich in der Natur und im menschlichen Körper nur extrem langsam ab. Sie reichern sich über die Jahre im Gewebe an – auch im Gehirn.
Die aktuelle Forschung zeigt, dass PFAS sich an spezielle Transportproteine im Blut binden können, wodurch sie gezielt ins Gehirn gelangen. Dort stören sie die Funktion von Nervenzellen, beeinträchtigen die Blut-Hirn-Schranke und fördern Entzündungsprozesse. Besonders besorgniserregend ist der mögliche Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen: Die neuen Studien legen nahe, dass PFAS den Abbau von Dopamin im Gehirn beeinflussen – einem Botenstoff, der eine zentrale Rolle bei Parkinson spielt.
Da PFAS weltweit in Gewässern, Böden und in der Nahrungskette vorkommen, ist es für den Einzelnen kaum möglich, die Belastung völlig zu vermeiden. Doch es gibt Möglichkeiten, die persönliche Exposition zu verringern.
Praktische Strategien, um Gehirn und Körper vor Umweltgiften zu schützen
Die schlechte Nachricht: Eine vollständige Vermeidung von Mikroplastik und PFAS ist im modernen Alltag nahezu unmöglich. Doch es gibt wirksame Maßnahmen, um die Belastung zumindest zu reduzieren. Hier sind einige davon:
- Plastik in der Küche meiden: Keine heißen Speisen in Plastikbehältern oder PET-Flaschen erhitzen
- Leitungswasser statt Flaschenwasser: Mikroplastik ist in Mineralwasserflaschen oft in höherer Konzentration enthalten.
- PFAS vermeiden: Teflonpfannen durch Alternativen wie Edelstahl oder Keramik ersetzen. Fast-Food-Verpackungen meiden.
- Antioxidantienreiche Ernährung: Grüner Tee, Kurkuma, Beeren und Omega-3-Fettsäuren (siehe hierzu auch: Omega 3) könnten schädliche oxidative Prozesse im Gehirn reduzieren.
- Entgiftung durch Naturstoffe? Einige Studien deuten darauf hin, dass natürliche Adsorptionsmittel wie Zeolith (siehe hierzu auch: Zeolith) die Ausscheidung bestimmter Schadstoffe unterstützen könnten – ein spannendes Forschungsfeld.
Fazit: Umweltgifte als unterschätzter Risikofaktor für Demenz und Parkinson
Die Vorstellung, dass winzige Plastikpartikel und industrielle Chemikalien unser Gehirn belasten, mag zunächst absurd erscheinen. Doch die Wissenschaft zeigt: Die Belastung durch Umweltgifte könnte ein entscheidender Faktor für die rasant steigenden Fälle neurodegenerativer Erkrankungen sein.
Während weitere Forschung notwendig ist, um die Zusammenhänge exakt zu verstehen, ist bereits jetzt klar: Die Reduktion von Mikroplastik und PFAS in unserer Umwelt könnte langfristig nicht nur das Risiko für Alzheimer, Parkinson und vaskuläre Demenzen senken, sondern auch unsere allgemeine Gesundheit schützen.
Die gute Nachricht: Jeder kann durch bewusste Entscheidungen im Alltag seinen Teil dazu beitragen. Und vielleicht ist es an der Zeit, dass Politik und Industrie Verantwortung übernehmen – bevor die unsichtbaren Feinde in unseren Körpern überhandnehmen.
Studien:
https://genomicpress.kglmeridian.com/view/journals/brainmed/aop/article-10.61373-bm025c.0020/article-10.61373-bm025c.0020.xml
https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.9b01517
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https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38159628
https://www.science.org/doi/epdf/10.1126/sciadv.adr8243