Einfacher Bluttest zur Alzheimer-Früherkennung könnte schon bald beim Hausarzt verfügbar sein

Alzheimer und andere neurodegenerative Erkrankungen haben sich längst zu einer weltweiten Pandemie entwickelt. Eine Heilung gibt es nicht, kausale medikamentöse Therapien befinden sich erst in der Entwicklung beziehungsweise haben noch zu starke Nebenwirkungen bei zu wenig therapeutischer Wirkung und die neue Generation der physikalischen Therapien wie die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) und andere nicht-invasive Hirnstimulations-Methoden (NIBS) zeigen zwar höchst vielversprechende Resultate, sind jedoch noch nicht etabliert und verbreitet genug. Prävention und diagnostische Früherkennung bilden daher zwei wichtige Pfeiler, diesen Erkrankungen zu begegnen.

Alzheimer erkennen: Der lange Weg zur richtigen Diagnose

Doch der Weg zur richtigen Diagnose ist lang und umständlich: Oft werden Alzheimer und verwandte Krankheiten nämlich erst diagnostiziert, wenn die Schäden im Gehirn schon groß  und die Betroffenen in ihrer Kognition und ihrem Leben bereits deutlich eingeschränkt sind. Das Problem: Um etwa Alzheimer-Demenz möglichst eindeutig zu diagnostizieren, müssen bereits vorhandene Amyloid- und Tau-Proteine im Gehirn in der Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) anhand einer Liquor-Untersuchung oder einem PET-Scan (Positronen-Emissions-Tomographie) nachgewiesen werden.

Die Wartezeiten für diese aufwendigen Prozeduren sind lang, die Diagnosemethoden in erster Linie in spezialisierten Gedächtniskliniken verfügbar und für das Gesundheitssystem zu kostenintensiv – für Betroffene geht so oft zu viel an wertvoller Zeit für wirksame Therapien verloren. Aber dies könnte sich dank eines neuen Bluttests endlich ändern.

Schwedische Forscher entwickeln Bluttest, der ebenso exakt sein soll – und eine Alzheimer-Entwicklung Jahre im Voraus erkennt

Die Studien zum neuen Bluttest, entwickelt unter Federführung der Universität Lund in Schweden, wurde Ende Juli 2024 auf der Jahrestagung der amerikanischen Alzheimer’s Association vorgestellt und erregte großes Aufsehen: Denn  die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass der Bluttest mit 90-prozentiger Genauigkeit feststellen kann, ob eine Person mit Gedächtnisverlust an Alzheimer leidet. Und nicht nur das: Der Demenz-Test bietet auch die Möglichkeit, Veränderungen im Gehirn bereits rund 20 Jahre vor Beginn der Demenz-Symptome zu erkennen. Darüber hinaus spart er noch mehr Zeit und Ressourcen, da der Bluttest auch in der Hausarztpraxis, also in der sogenannten Primärversorgung, eingesetzt werden kann. Die Daten der Studie sind so eindeutig, dass der Bluttest in den USA bereits verfügbar ist und es vermutlich nicht lange dauern wird, bis die neue Diagnosemethode auch in anderen Ländern eingesetzt wird.

Wie funktioniert der neue Bluttest? Messung eines Tau-Proteins im Blutplasma gibt Aufschluss

Dieser neue Bluttest sucht im Blut nach einem speziellen Eiweiß, das „phosphoryliertes Tau-Protein“ genannt wird, genauer gesagt nach einer bestimmten Form davon, die als P-tau217 bezeichnet wird. Dieses Eiweiß spielt als Biomarker (ein messbares Merkmal im Körper, das als Indikator für einen biologischen Zustand oder eine Krankheit dient) eine wichtige Rolle bei der Schädigung von Gehirnzellen, die typisch für Alzheimer ist. Wenn sich dieses Eiweiß im Blut in erhöhter Menge findet, kann das ein Hinweis darauf sein, dass eine Alzheimer-Erkrankung im Gehirn schon begonnen hat, lange bevor man dies durch Symptome bemerkt.

In verschiedenen Studien, die an über 1.400 Menschen durchgeführt wurden, zeigte der Test eine sehr hohe Genauigkeit. Das bedeutet, dass er sehr gut zwischen Menschen mit Alzheimer und solchen ohne die Krankheit unterscheiden kann. Besonders bemerkenswert ist, dass der Test dies nicht nur bei Menschen tut, die bereits Symptome haben, sondern auch bei solchen, bei denen die Krankheit noch gar nicht ausgebrochen ist.

Zum Beispiel konnte der Test in einer Gruppe von Menschen, die ein hohes genetisches Risiko für Alzheimer haben, erhöhte P-tau217-Werte im Blut schon 20 Jahre vor dem Auftreten von Symptomen nachweisen. Das ist ein großer Fortschritt, weil es Medizinern die Möglichkeit gibt, Alzheimer sehr früh und genau zu erkennen und vielleicht sogar zu verhindern, dass die Krankheit sich weiterentwickelt.

Der neue Bluttest ist eine viel einfachere und günstigere Alternative zu den gängigen, aufwendigen Untersuchungsverfahren. In direkten Vergleichen zeigte er eine Genauigkeit, die fast so hoch ist wie die der bisherigen Methoden. Das bedeutet, dass dieser Bluttest möglicherweise bald in vielen Arztpraxen und Kliniken eingesetzt werden könnte, um Alzheimer früher und einfacher zu diagnostizieren.

Einfache und kostengünstige Diagnose: Was bedeutet das für die Zukunft?

Wenn dieser Bluttest weiterentwickelt und in der Praxis eingeführt wird, könnte das die Früherkennung von Alzheimer revolutionieren. Die einfache Handhabung und hohe Zuverlässigkeit dieses Bluttests stellen einen wichtigen Fortschritt in der Diagnose von Alzheimer dar und bieten eine unkomplizierte Möglichkeit, die Krankheit bereits in der allgemeinen ärztlichen Versorgung, also auch beim Hausarzt, mit hoher Genauigkeit festzustellen oder auszuschließen. Zudem könnten die Menschen schon viele Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome erfahren, ob sie ein Risiko für Alzheimer haben. Das gibt Ärzten die Möglichkeit, frühzeitig einzugreifen und den Krankheitsverlauf vielleicht sogar zu stoppen, wenn neue Therapieformen wie etwa die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) und andere nicht-invasive Hirnstimulationsverfahren als additive Behandlungsverfahren zur Medikation etablierter geworden sind.

Zu den nächsten Schritten gehört jetzt die Festlegung klarer klinischer Richtlinien für den Einsatz des Bluttests im Gesundheitswesen, heißt es in einer Stellungnahme von der Universität Lund. Zunächst würde der Test hauptsächlich in spezialisierten Gedächtniskliniken eingesetzt werden, und es könne dann etwa ein bis zwei Jahre dauern, bis Richtlinien und Schulungen in der allgemeinen Grundversorgung umgesetzt werden könnten.

Quellen:

https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2768841
https://www.lunduniversity.lu.se/article/groundbreaking-alzheimers-blood-test-proves-highly-effective-primary-healthcare