Vom Alzheimer-Bluttest über Biomarker bis hin zu Hirnstimulation – wie die Forschung neue Wege aufzeigt
Wien, April 2025. Mehr als 5.500 Wissenschaftler aus über 75 Ländern kamen Anfang April zur diesjährigen internationalen AD/PD-Konferenz nach Wien, um aktuelle Entwicklungen in der Alzheimer- und Parkinsonforschung zu diskutieren. Die AD/PD gilt als einer der weltweit führenden Fachkongresse in diesem Bereich – und spiegelte auch 2025 die Dynamik und Herausforderungen eines Feldes wider, das von großen Erwartungen, aber auch von der Suche nach praktikablen Lösungen geprägt ist. Im Mittelpunkt dieses Jahr: Biomarker, neue Wege der Diagnostik und die drängende Frage, wie wir neurodegenerativen Erkrankungen, deren weltweite Prävalenzzahlen weltweit so drastisch im Steigen begriffen sind, künftig begegnen wollen beziehungsweise können.
Der Fokus verschiebt sich: Von der langwierigen Suche nach Heilung zur Früherkennung
Während die Diskussion um neue Medikamente weiterhin viel Raum einnimmt, war auf der AD/PD 2025 spürbar, dass sich der Fokus verlagert: Weg von der Hoffnung auf eine baldige Heilung, hin zur Früherkennung und Prävention. Und das aus gutem Grund: Denn die jüngsten Entwicklungen krankheitsmodifizierender Therapien bei Alzheimer-Demenz wie Lecanemab (Produktname: Leqembi) und Donanemab (Produktname: Kisunla) zeigen zwar Fortschritte – werfen aber zugleich eine Reihe unbequemer Fragen auf.
So wurde Donanemab vor Kurzem nicht für die Zulassung in der EU empfohlen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) begründete seine Entscheidung damit, dass der Nutzen von „Kisunla“ selbst bei Erkrankten ohne eine Kopie des Alzheimer-Risikogens ApoE4 das Risiko für Nebenwirkungen nicht überwiege.
Lecanemab hingegen erhielt 2023 zwar eine vollständige Zulassung in den USA, wird aber in der EU bislang nur diskutiert. Zwar sprach sich die EMA in diesem Fall für eine Zulassung aus, doch eine endgültige Entscheidung steht weiterhin aus – und viele Fachleute bezweifeln, dass sie überhaupt kommt. Zu groß sei der Aufwand der Therapie, zu hoch die Risiken, zu gewaltig die Kosten für die Gesundheitssysteme.
Lecanemab: MRTs, Nebenwirkungen und Kosten führen zu hohen Zugangshürden
Die Anwendung von Lecanemab kommt zunächst ohnehin nur für Patienten in einem sehr frühen, also beginnenden Alzheimer-Stadium infrage (in Deutschland wären dies gemäß Schätzungen zufolge nur rund 20.000 Personen). Zudem erfordert der Einsatz des Antikörpers Lecanemab in Form von Infusionen bekanntlich regelmäßige MRT-Kontrollen, um sogenannte ARIA-Effekte (amyloidbedingte Bildgebungsanomalien) frühzeitig zu erkennen. Auch wenn erste Praxisdaten aus den USA keine gravierenden Engpässe bei den MRT-Terminen zeigten, ist das System dort enorm belastet. Und: Die bisherigen Erfahrungen stammen vorwiegend aus gut organisierten Privatpraxen. In öffentlichen Einrichtungen wäre die Umsetzung deutlich schwieriger. Hinzu kommen sozialmedizinische Aspekte: Eine Studie zeigte, dass über 98 Prozent der behandelten US-Patienten in städtischen Gebieten lebten – und übrigens über 77 Prozent weiß waren. Lecanemab ist also auch in den USA bislang alles andere als ein breit verfügbarer Therapieansatz.
So verständlich der Wunsch nach einem wirksamen Medikament auch ist: Die Realität zwingt die Wissenschaft dazu, andere Wege zu denken – Wege, die früher ansetzen und auf ein Umdenken im gesamten Versorgungssystem hinauslaufen.
Neuer Alzheimer-Bluttest zur einfachen Diagnose: Die Revolution in der Früherkennung beginnt
Hoffnungsträger in der Diagnostik von Alzheimer-Demenz sind die Entwicklungen neuer Bluttests, von denen einer bereits in der Praxis – sei es bei Fachärzten, aber auch bei Hausärzten – bei einem Verdacht auf eine Demenz eingesetzt werden kann. Dieser weltweit erste zugelassene Alzheimer-Bluttest, der seit Ende 2024 verfügbar ist, ist beim Wiener Großlabor labors.at möglich. Der sogenannte „Aß42/ß40-Ratio-Test“ weist Beta-Amyloid-Ablagerungen im Blut nach, die bereits bis zu 20 Jahre vor den ersten Symptomen auftreten können. Damit wird eine niederschwellige, kostengünstige und schmerzfreie Früherkennung erstmals realistisch. Der Test liefert laut Dr. Bernhard Mühl, Miteigentümer von labors.at gleichwertige Ergebnisse wie Liquor-Analysen oder PET-Scans, ist aber für die Patienten deutlich angenehmer – und mit 175 Euro auch erschwinglich.

Dass dieser erste verfügbare Alzheimer-Bluttest bereits positive Wellen schlägt, berichtet Prof. Dr. Georg Endler, ebenfalls Mitinhaber von labors.at auf der AD/PD: „Unser Test erhält schon jetzt viel Resonanz, obwohl wir erst in der Einführungsphase sind. Sowohl Fachärzte als auch Hausärzte, aber auch Privatpersonen nutzen den Bluttest bereits, um die Diagnosestellung zu beschleunigen und im Falle einer Erkrankung rascher therapeutische Möglichkeiten nutzen zu können.“
Einfach in der Anwendung, europaweit für Ärzte bei labors.at in Wien durchführbar, wissenschaftlich fundiert: Der neue Bluttest (siehe hierzu auch: Neuer Alzheimer-Bluttest ) ist ein Meilenstein in der Alzheimer-Diagnostik – und ein Beleg dafür, wie sich der Wind auf der AD/PD gedreht hat. Nicht mehr die Frage nach dem „Wundermittel“, sondern die Frage nach „Was können wir frühzeitig erkennen – und wie können wir darauf reagieren?“ stand im Zentrum der Debatten.
Transkranielle Pulsstimulation (TPS): Nicht-invasive Hirnstimulation rückt weiter in den Fokus
Wenn man früh erkennt, stellt sich zwangsläufig die nächste Frage: Wie behandeln? Auch hier zeichnete sich auf der AD/PD 2025 ein Paradigmenwechsel ab. Nicht-invasive Hirnstimulationsverfahren (non-invasive brainstimulation – kurz NIBS) rücken stärker denn je in den Fokus und werden von Fachleuten zunehmend als nützliche und wirksame Behandlungsoptionen angesehen. Dies gilt auch und insbesondere für die Transkranielle Pulsstimulation (TPS), die seit einigen Jahren international Beachtung findet.
Die TPS basiert auf niedrigenergetischen Stoßwellenimpulsen, die gezielt durch die Schädeldecke hindurch auf betroffene Hirnregionen wirken. Dabei werden keine Elektroden eingesetzt, keine Substanzen verabreicht – die Behandlung ist nicht-invasiv, schmerzfrei und in einer halben Stunde durchführbar. Weltweit wurden mittlerweile über 15.000 Patienten behandelt, und dies ohne klinisch relevante Nebenwirkungen.
Internationale Fachleute auf der AD/PD betonten im persönlichen Gespräch mit „Alzheimer Deutschland“ die Chancen, die in der TPS liegen: sie eine sichere und praktikable Therapieoption, besonders für Patienten mit leichten bis mittleren Alzheimer-Symptomen – also genau jene Gruppe, bei der Medikamente wie Lecanemab sowieso nicht eingesetzt werden dürfen. Auch bei Parkinson zeigt die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) längst ihren hohen Nutzen und weitere neurophysiologische Indikationen wie Depressionen, Autismus und ADHS sind Gegenstand intensiver Erforschung mit hoffnungsvollen Ergebnissen.

„Für mich steht außer Frage, dass die TPS in naher Zukunft eine der wichtigsten Therapien bei Alzheimer, übrigens auch bei Parkinson und bei Depressionen, darstellen wird,“ erläutert Prof. M. Zülküf Önal, einer der führenden Neurologen aus der Türkei auf der AD/PD: „In unseren Kliniken in Ankara, Istanbul und Izmir setzen wir die TPS bereits seit drei Jahren ein und ich kann sagen, dass diese Stoßwellen-Methode das Beste ist, was wir in der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen anbieten können.
Meine Kollegen in aller Welt, die mit der TPS arbeiten, bestätigen das. Ich bin mir sicher, dass sie sich jetzt rasch weiter verbreiten wird, zumal die Kosten in der Relation zu den aktuell diskutierten Medikamenten wirklich marginal sind, von der letztlichen Nebenwirkungslosigkeit der TPS ganz abgesehen.“
Hinzu kommt: Wurde die Studienlage zur Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) anfänglich noch als zu klein moniert, hat das nicht-invasive Hirnstimulationsverfahren deutlich an klinischen Forschungsdaten, inklusive placebo-kontrollierten Studien, zugelegt, so dass führende Wissenschaftler die TPS auf klarem Wege hin zur Evidenz sehen (siehe hierzu: TPS – Studien zu Alzheimer und TPS – Studien zu anderen Indikationen ).
Warum die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) gerade jetzt an Bedeutung gewinnt
Da die klassische Pharmatherapie noch an Grenzen stößt, gewinnen die neuen physikalischen Wege der Therapie als fundierte Ansätze so deutlich an Relevanz. Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) könnte sich daher als echter Gamechanger etablieren – nicht als Ersatz für Medikamente, sondern als additive, also zusätzliche Therapieform, die das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen und die Lebensqualität der Patienten – und damit auch der Angehörigen – deutlich verbessern kann. Zudem ist die TPS gut mit anderen Maßnahmen kombinierbar und ihre Kosten werden in Deutschland und Österreich zunehmend von den privaten Krankenkassen (PKVs) übernommen.
Ein Kurswechsel mit Perspektive: Neue Werkzeuge, neue Wege – und echte Chancen
Die AD/PD 2025 war keine Konferenz der Sensationen – aber eine der klaren Signale. Die großen Hoffnungen auf „die eine Pille gegen Alzheimer“ mussten einer realistischeren Einschätzung weichen. Doch das bedeutet nicht Stillstand – im Gegenteil. Neue Werkzeuge wie der Alzheimer-Bluttest und neue Ansätze wie die TPS zeigen, dass sich die Forschung bewegt. Nur eben in eine andere Richtung: Weg vom Warten auf das große Medikament, hin zu Früherkennung, Lebensqualität und nachhaltigen Therapien. Für Betroffene und Angehörige heißt das: Es gibt Hoffnung. Und es gibt Wege. Nicht irgendwann – sondern jetzt.