Transkranielle Pulsstimulation (TPS) bei Alzheimer und Parkinson – aktueller Stand der Wissenschaft

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Wissenschaftlicher Kommentar liefert aktuelle Einblicke zu Evidenz und Mechanismen der TPS – und wirft die ethische Frage auf, ob man Patienten diese Therapie noch vorenthalten darf.

Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) ist in den letzten Jahren zu einer der spannendsten Entwicklungen im Bereich der nicht-invasiven Hirnstimulation (NIBS) geworden – insbesondere bei Alzheimer-Demenz. Nun hat Prof. Dr. Lars Wojtecki, Chefarzt für Neurologie am Klinikum Kempen und Lehrbeauftragter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) sowie einer der führenden TPS-Experten Deutschlands, einen wegweisenden Kommentar im Fachjournal „NeuroSci“ veröffentlicht. Unter dem Titel Treating Diseases from Alzheimer’s to Parkinson’s Using Transcranial Pulse Stimulation: Mechanistic Insights, Recent Evidence, and Ethical Considerations beleuchtet er die aktuelle Studienlage zur TPS-Therapie, erklärt die biologischen Mechanismen – und spricht offen über die ethischen Fragen rund um diese vergleichsweise noch junge Therapieform (auch wenn sie bereits seit über 35 Jahren erforscht wird).

Transkranielle Pulsstimulation (TPS): Was sie kann – und warum sie anders ist

Die TPS arbeitet mit Stoßwellenimpulsen, die gezielt durch den Schädelknochen in tiefer gelegene Hirnareale geleitet werden. Dabei entstehen keine Hitzeschäden oder dauerhafte Veränderungen – und genau das macht die Methode so besonders und einzigartig unter den Hirnstimulations-Verfahren: Sie ist nicht-invasiv, schmerzfrei, frei navigierbar und kann hochpräzise in bis zu 8 cm tief liegende Hirnareale eindringen.

Wojtecki betont in seiner Veröffentlichung, dass die TPS als Stoßwellen-Therapie auf dem Prinzip der Mechanotransduktion beruht – also auf der Umwandlung mechanischer Reize in biologische Prozesse (siehe hierzu auch: Mechanotransduktion). Diese Reize regen die Bildung von neurotrophen Faktoren wie BDNF oder VEGF an, fördern die Durchblutung und stärken die Netzwerke des Gehirns. EEG- und fMRT-Daten zeigen, dass insbesondere die Gamma-Band-Oszillationen (~40 Hz) im Gehirn gestärkt werden – ein zentraler Marker für kognitive Prozesse.

TPS bei Alzheimer: Hochwertige Studien mit deutlichen Effekten – auch auf die Stimmung

Laut Prof. Wojtecki zeigen die bislang publizierten Studien, dass Transkranielle Pulsstimulation (TPS) bei Alzheimer-Patienten moderate bis starke Effekte auf Kognition und Stimmung bewirken kann – mit Effektstärken (Cohen’s d) von 0,5 bis 1,4. Besonders bemerkenswert: In einer großen, randomisierten, placebokontrollierten Studie von Matt et al. (2025) wurden signifikante Verbesserungen bei der Exekutivfunktion und Depression festgestellt – auch wenn der primäre Endpunkt knapp verfehlt wurde, vermutlich aufgrund eines methodischen Hängers im Cross-Over-Design.

Andere Studien wie die von Radjenovic et al. oder Cont et al. zeigen jedoch, dass auch ältere Patienten oder solche im fortgeschrittenen Stadium profitieren können. Bildgebende Verfahren wie die morphometrische MRT oder funktionelle fMRT belegen strukturelle und funktionelle Anpassungen im Gehirn nach TPS – das Gehirn reagiert also messbar.

Morbus Parkinson: TPS ein Hoffnungsträger für nicht-motorische Symptome?

Auch für Patienten mit Parkinson eröffnet die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) neue Perspektiven. Zwar ist die Studienlage hier noch dünner, erste Pilotdaten zeigen aber Verbesserungen bei Tremor, Kognition, Stimmung und Ganginitiierung. Wojtecki betont, dass die TPS-Therapie bei Parkinson vor allem als ergänzende Therapie zur Standardbehandlung wie L-Dopa in Frage kommt – besonders im Bereich der nicht-motorischen Symptome, wo Medikamente oft versagen. Weitere Studien sind notwendig, insbesondere mit klar definierten, placebokontrollierten Designs.

Sicherheit der Transkraniellen Pulsstimulation: Keine schweren Nebenwirkungen bekannt

Was die Sicherheit betrifft, gibt Wojtecki klar Entwarnung. In tausenden TPS-Sitzungen kam es lediglich in 4–6 Prozent der Fälle zu leichten, vorübergehenden Nebenwirkungen wie Kopfdruck oder Müdigkeit. Schwere Zwischenfälle wie Hirnblutungen oder epileptische Anfälle wurden nicht beobachtet. Auch bildgebende Verfahren nach der Behandlung zeigen keinerlei Hinweise auf Gewebeschäden oder unerwünschte Veränderungen. Die TPS gilt damit derzeit als eine der sichersten neuromodulativen Therapien überhaupt – vorausgesetzt, sie wird richtig durchgeführt.

Ethische Fragen: Wie gehen wir mit Hoffnung und Unsicherheit um?

Besonders hervorzuheben ist Wojtecki’s differenzierte ethische Einordnung. Denn: Die TPS ist zwar CE-zertifiziert für Alzheimer, doch sie ist noch keine Regeltherapie. Daher sei es essenziell, dass sie nur unter ärztlicher Aufsicht, innerhalb von Studien oder strukturierten Patientenregistern eingesetzt wird – und niemals als Ersatz für die heutigen Standard-Therapien.

Wojtecki plädiert für Transparenz und Aufklärung – insbesondere, wenn Patienten selbst nicht mehr urteilsfähig sind. Auch bei berechtigter Hoffnung auf eine Besserung darf eine Therapie grundsätzlich nie über den Kopf der Betroffenen hinweg eigenwillig entschieden werden. Gleichzeitig stellt er aber auch klar: Das systematische Vorenthalten einer zugelassenen, gut verträglichen Therapie, nur weil sie noch nicht Standard ist, kann ebenso ethisch fragwürdig sein, wenn es keine anderen Optionen mehr gibt. Im Klartext: Man sollte eine TPS-Therapie betroffenen Patienten nicht verweigern, wenn andere Behandlungsmethoden nicht (mehr) anschlagen.

TPS in der Anwendung: Wer darf behandelt werden? Und wie?

Im letzten Teil seines Kommentars erläutert Wojtecki mögliche Kriterien für die Patientenauswahl. So sollte eine eindeutige Alzheimer-Diagnose vorliegen – idealerweise bestätigt durch Liquorwerte, also bestätigt durch Liquorwerte durch die Untersuchung des Nervenwassers, das Alzheimer-typische Veränderungen zeigt. Patienten dürfen weiterhin ihre regulären Medikamente erhalten, denn TPS wirkt additiv, nicht ersetzend. Ausgeschlossen für die TPS-Therapie sind Patienten mit Hirntumoren, massiven Gefäßveränderungen, Epilepsie oder aktuell laufender Anti-Amyloid-Antikörpertherapie (z. B. Lecanemab), da hier mögliche Wechselwirkungen bestehen.

Auch die Praxis wird klar beschrieben: In der Praxis und in bisherigen Studien (u. a. JoVE) werden häufig sechs Sitzungen in zwei Wochen mit ~0,2–0,25 mJ/mm² und ~6000 Impulsen eingesetzt; individuelle Abweichungen sind allerdings möglich.

Transkranielle Pulsstimulation (TPS) ist ein vielversprechender Ansatz, der konstruktiv diskutiert werden sollte

Prof. Lars Wojtecki gelingt mit diesem Kommentar ein wichtiger Beitrag zur wissenschaftlichen Debatte zur Transkraniellen Pulsstimulation (TPS). Er zeigt auf: Die TPS ist kein Wundermittel – aber sie ist ein ernst zu nehmender, gut verträglicher Therapieansatz, dessen Potenzial sowohl für Alzheimer als auch für Parkinson bereits darstellbar ist und der weiter erforscht werden muss.

Der Artikel ruft dazu auf, Verantwortung und Hoffnung zu verbinden: Nicht durch überzogene Erwartungen – sondern durch solide Wissenschaft, klare Regeln und einen offenen Umgang mit Chancen und Grenzen der Transkraniellen Pulsstimulation TPS). Denn genau das brauchen Patienten, Angehörige und auch behandelnde Ärzte in einer Zeit, in der neurodegenerative Erkrankungen zur größten Herausforderung der kommenden Jahrzehnte werden.

Quelle:

https://www.mdpi.com/2673-4087/6/2/56

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