Wie die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) Nervenzellen aktivieren und das Gehirn regenerieren kann.
Oft braucht es längere Zeit, bis alte Überzeugungen oder Wissen aus einer anderen (in diesem Falle Wissenschafts-)Generation ihren Weg in das Allgemeinwissen finden. So glauben viele Leute bis heute, dass Nervenzellen, einmal zerstört oder abgestorben, nicht ersetzt werden könnten.
Der weithin bekannte, etwas markige Spruch: „Der hat sich das Hirn weggesoffen“, illustriert diese Meinung recht gut. Aber es stimmt nicht ganz, man kann sich das Hirn nicht einfach so „wegsaufen“. Dies soll nun natürlich kein Freibrief für übermäßigen Alkoholkonsum sein, ganz und gar nicht, hier sollte man natürlich aus vielerlei anderen Gründen äußerste Vorsicht walten lassen, die wiederum allgemein bekannt sein sollten; das menschliche Gehirn ist jedenfalls letztlich recht robust und auch agil bis zum letzten Tage eines Menschenlebens. Denn neue Nervenzellen entstehen durchaus – und dies ein Leben lang.
Überhaupt übersteht der menschliche Organismus viele Blessuren mit großer Leichtigkeit. Denken Sie an den Schnitt in den Finger mit dem Küchenmesser: in der Regel ist dieser binnen kurzer Zeit ausgeheilt. Auch ein Beinbruch ist, allegorisch gesehen, „kein Beinbruch“ und heilt problemlos, wenn die Bruchflächen in der richtigen Position fixiert wurden. Nahezu alles Gewebe, Haut und Knochen wie auch Organe können bis zu einem gewissen Grade vom Körper selbst repariert werden, denn er ist – samt dem Gehirn – zu großen Regenerationsleistungen fähig. Dies verdanken wir zu einem guten Teil den Stammzellen.
Von der Geburt bis zum Tod: Stammzellen halten das System Mensch am Laufen.
Stammzellen sind vielseitige Zellen und ähneln einem sich entwickelnden Embryo. Sie besitzen die Fähigkeit, sich nahezu beliebig oft zu teilen und in jegliche Art von Zellen zu verwandeln. Ein gutes Beispiel dafür sind die blutbildenden Stammzellen im Rückenmark: Sie entwickeln sich ganz nach Notwendigkeit in Blutplättchen, rote Blutkörperchen und in das breite Spektrum der weißen Blutzellen.
Gleiches gilt für die Nervenzellen des Gehirns, wobei es unterschiedliche Arten von Nervenzellen gibt: Wir haben Neuronen, die als grundlegende Elemente unseres Nervensystems mit Hilfe von elektrischen und chemischen Signalen Informationen aufnehmen, verarbeiten und über die Axone (Nervenfasern) weiterleiten. Gliazellen wiederum bilden das Zellgewebe, das den Raum zwischen den Nervenzellen des Gehirns und den Blutgefäßen bis auf einen kleinen Spalt ausfüllt und auch die Myelinscheiden (Markscheiden) um die Nervenfasern bilden.
Die Aktivität der Stammzellen und deren Verwandlung in Nervenzellen aller Art beginnt im menschlichen Embryo. Bereits einige Tage nach der Befruchtung der Eizelle beginnt die Entwicklung des Gehirns im werdenden Organismus. Jede Minute bilden sich rund 250.000 Nervenzellen und mit der Geburt warten im Köpfchen des neuen Erdenbürgers ca. 100 Milliarden dieser Neuronen (Nervenzellen) auf Informationen und Impressionen.
Dass diese Zahl an Nervenzellen nun für ein ganzes Menschenleben reichen müsse, war lange Zeit herrschende Meinung und viele von uns haben dies wohl auch noch in der Schule gelernt. Doch Ende der 1990er konnte diese (Lehr-)Meinung einer grundlegenden, geradezu radikalen Revision unterzogen werden: Die Neubildung von Nervenzellen bei Erwachsenen konnte von dem Schweden Thomas Björk-Eriksson von der Universität Göteborg erstmals einwandfrei nachgewiesen werden und führte nach zahlreichen weiteren Studien zu einem, wenn auch teils etwas holprigen, Paradigmen-Wechsel in der Medizin.
Neurogenese: Ein Orchester, dessen Instrumentenzahl zwar abnimmt, aber immer weiterspielt.
Nun ist es aber leider nicht so, dass wir unser ganzes Leben lang mit jener ungeheuren Anzahl neuer Nervenzellen wie in der frühesten Kindheit versorgt werden. Als Erwachsene müssen wir ja auch nicht mehr diese ungeheuren Informations- und Lernimpulse verarbeiten, die in der frühen Kindheit auf uns einwirken. Neuronale Stammzellen sind zwar in allen adulten (erwachsenen) Gehirnregionen vorhanden, in vielen jedoch ruhen sie bzw. warten auf Stimulation gemäß ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten der Steuerungsmechanismen des menschlichen Organismus.
Die „adulte Neurogenese“, also die Bildung neuer Nervenzellen, findet u. a. vor allem im Hippocampus statt, einem Bereich des Gehirns, der für die Lern- und Gedächtnisvorgänge wichtig ist. Auch im sog. Bulbus olfactorius (er liegt unterhalb des Frontalhirns und dient der Geruchswahrnehmung) kann man diese Neubildungen nachweisen. Doch damit die neu entstandenen Nervenzellen auch aktiv werden, sind Anregungen von außen nötig: Sehen, hören, riechen, schmecken, kommunizieren, vereinfacht: sich interessieren, sich bewegen, immer weiter lernen, das Gehirn aktiv halten sind die Voraussetzungen dafür, dass die sich frisch entwickelnden Gehirnzellen nicht gleich wieder zugrunde gehen. Denn nur durch Stimulation können sie zu funktionstüchtigen Neuronen heranzureifen, deren Axone Synapsen bilden. Synapsen sind die Verbindungstellen zwischen den Zellen und dienen der Informationsübertragung und deren Weiterleitung durch elektrische Impulse. Und je mehr Synapsen die Neuronen ausbilden können, desto mehr Informationen können übertragen werden. Bei einem gesunden Gehirn eines Erwachsenen kommen so um die 100 Billionen (!) Synapsen zusammen, die rund 1013 analoge Rechenoperationen in der Sekunde bearbeiten können!
Bei der Entstehung einer Demenz-Erkrankung gehen, wirklich höchst verallgemeinernd gesagt, zunächst die Synapsen zugrunde und es kommt zum Absterben einer immer größer werdenden Anzahl von Nervenzellen. Neu entstehende Neuronen können dies natürlich bei weitem nicht ausgleichen. Aber man kann ihnen Unterstützung anbieten – auch in Form von Stoßwellen.
Stimulation durch Stoßwellen: Wie Nervenzellen in Aktion versetzt werden.
Stoßwellen werden seit den 1980er Jahren in der Medizin eingesetzt und haben in den Bereichen Orthopädie, Urologie, Dermatologie etc. ihren festen Platz. Mit der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) haben die Stoßwellen ihren Einsatzbereich nun auch auf Erkrankungen des zentralen Nervensystems ausgeweitet. Stoßwellen besitzen eine ganze Reihe von besonderen Eigenschaften, die es ermöglichen, therapeutische wirksame Kräfte auf lokal begrenzte Gewebebereiche auszuüben und einen Vorgang zu initiieren, den man als „Mechanotransduktion“ bezeichnet: Darunter versteht man die Übertragung mechanischer Reize („mechano“) auf Gewebe und Zellen und eine biologische Reaktion („transduktion“) darauf in Form von Regeneration, Biostimulation oder kaskadenartiger Aktivierung bestimmter körperlicher Mechanismen.
Doch was sind Stoßwellen eigentlich? Stoßwellen, auch Schallwellen genannt, sind zunächst einmal mechanische bzw. akustische Wellen. Sie entstehen durch die ultrakurze Kompression (also Zusammenpressung – z. B. von Gasen oder Luft – mit Erhöhung des Drucks und Verkleinerung des Volumens) und anschließender Entspannung von Materie. Stoßwellen können organische Materie ohne große Veränderung, Absorption oder Schädigung durchlaufen. Eine Stoßwelle hat einen singulären Druckpuls, der nur ca. eine Millisekunde andauert. Da man zur Erzeugung einer Stoßwelle ein Medium wie etwa Luft oder Wasser benötigt, werden medizinisch genutzte Stoßwellen in Wasser erzeugt. Und es sind eben gerade Nervenzellen, die mit besonders schwachen Stoßwellen-Impulsen zur Aktivität bzw. zur Aussendung von Aktionspotentialen angeregt werden können.
Bei der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) werden diese äußerst niederfrequenten Stoßwellen über einen Hand-Applikator nicht-invasiv durch die Schädeldecke hindurch in das Gehirngewebe übertragen und man kann gezielt bestimmte Regionen im Gehirn erreichen und behandeln. Dabei werden Stoffwechselprozesse an den synaptischen Schaltstellen (den Axonen) der Nervenzellen aktiviert und regelrecht trainiert, also stimuliert. Die extrem kurzen Schallpulse der Transkraniellen Pulsstimulation (TPS) führen zu kurzfristigen Membranveränderungen an den Gehirnzellen. Die Konzentration von Transmittern und anderen biochemischen Stoffen wird dabei lokal verändert. Die Konsequenz ist eine Aktivierung von Nervenzellen und der Aufbau kompensatorischer Netzwerke, also die Bildung neuer Synapsen, die die erkrankte Hirnfunktion verbessern. Zudem werden Wachstumsfaktoren freigesetzt, die wiederum die Entwicklung von Stammzellen beeinflussen. Darüber hinaus kommt es zu einer Verbesserung der Gehirndurchblutung sowie zur Bildung neuer Gefäße und zur Nervenregeneration. Schließlich kann die Behandlung die Ausschüttung von Stickoxid und die Stimulation der sog. BDNF, Proteine aus der Gruppe der Neurotrophine, die Nervenzellen und Synapsen schützen, unterstützen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) einfach ein unterstützendes und dabei sanftes Werkzeug für den menschlichen Organismus ist, sich selbst zu regenerieren. Doch wie alle Neuerungen auf dieser Welt dauert es eben seine Zeit, bis diese Kenntnisse ihren Weg in das anfangs beschriebene Allgemeinwissen finden. Es steht zu hoffen, dass dies nicht wieder mehr als 20 Jahre wie bei den adulten Neuronen dauern mag.
Hinweis: Dieser Artikel ist bewusst stark vereinfacht gehalten und geht nicht weiter auf die komplexen Vorgänge im menschlichen Gehirn und die diesbezügliche langjährige und intensive Forschung ein. Diese Informationen ersetzen nicht das Gespräch mit einem Arzt/einer Ärztin und können bzw. sollen keinen Hinweis darauf geben, für wen eine TPS-Behandlung geeignet ist.